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Arzthaftungsrecht
Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2018
Der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk ist vererbbar, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am 12. Juli 2018. Demnach dürfen Erben unter bestimmten Bedingungen Einsicht in das Facebook-Konto eines Verstorbenen nehmen. Das Urteil, das breite Resonanz in den Medien fand (wer ist noch nicht auf Facebook?), zeigt die neuartigen Fragestellungen, die sich aus den „Social Media“ ergeben.
In der 6. Auflage des Standardwerkes „Arzthaftungsrecht – Leitfaden für die Praxis“ von Wolfgang Frahm und Dr. Alexander Walter spielen Facebook, Google, LinkedIn usw. noch keine Rolle. Ebenso sind hier noch keine Ausführungen zu den neuartigen Apps zu finden, die sich auf dem SmartPhone zwischen Arzt und Patient schalten.
So sammelt beispielsweise die App „Vivy“ ab August 2018 systematisch Patientendaten ein. Die App kombiniert Gesundheitsakte mit persönlicher Assistentin. „Du hast deine sämtlichen Arztbriefe, Befunde, Laborwerte oder Röntgenbilder immer zur Hand und bist unabhängig von Öffnungszeiten, Sprechstunden und Reisezeiten.“
Ob Impfpass oder Termine, wer mit dieser App arbeitet, sollte grobe Versäumnisse im Umgang mit der eigenen Gesundheit vermeiden können: „Je ganzheitlicher sich deine Ärzte über Vorerkrankungen informieren,“ heißt es auf vivy.com, „desto zielgerichteter wirken Therapien bei dir. Unnötige Mehrfachbehandlungen werden vermieden.“
Für die Ärzte ist eine solche App ein völlig neues „Erlebnis“. Die Reaktionen reichen von solchen, die problemlos mit dem Anbieter kooperieren, bis hin zu solchen, die ihre Patienten eigens anrufen und um Verständnis bitte, die dem Patienten zustehenden Daten nicht liefern zu wollen. Manche schicken dafür dem Patienten dann voreilig eine Rechnung für „ausführliche Beratung, auch telefonisch“, die sie wieder zurückziehen, oder liquidieren für einen „ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundbericht (einschließlich Angaben) zuzüglich Schreibgebühr, je Kopie, und Portokosten“.
Was bei anderen Freien Berufen eine Selbstverständlichkeit ist, trifft bei Ärzten auf eine komplexe Sondersituation. Gleich ob Rechtsanwalt, Sachverständiger oder Gutachter, dem Mandanten stehen die Ergebnisse der Arbeit zu. Anders bei solchen Ärzten, die die Patientendaten lieber für sich behalten. Diese Art der Diskretion macht die Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen Ärzte schwierig. Dem Patienten fehlen sorgfältig gesammelte Beweise.
Frahm und Walter befassen sich in ihrem Buch schon lange vor dem jüngsten Urteil des BGH mit dem Einsichtsrecht nach dem Tode, nämlich dem des Patienten. „Nach dem Tode des Patienten geht der Anspruch auf Einsicht in die Krankenunterlagen insoweit auf seine Erben nach § 1922 BGB über, als ihm – etwa zur Klärung von Schadensersatzansprüchen – eine vermögensrechtliche Komponente zukommt und deshalb nicht ausschließlich von einem höchstpersönlichen Recht auszugehen ist. Dies ist nun in § 630g Abs. 3 BGB geregelt.“
Vor dem Hintergrund der Argumentation der Autoren und dem Urteil des BGH werden Erben künftig wohl auch die von einer App wie Vivy gesammelten Daten eines Tages einsehen dürfen, wenn ein Patient – trotz bester Betreuung durch die virtuelle Assistentin – verstorben ist.
Das Buch von Frahm und Walter ist aber nicht nur wegen der aktuellen Rechtsprechung interessant, sondern gehört auch generell in jede Anwaltssozietät, die sich mit dem Arzthaftungsrecht befasst, und sollte darüber hinaus auch Grundlage der Schulung von Ärzten in elementaren Rechtsfragen sein. Haftungsgrundlagen, Haftende und Haftung für Hilfspersonen, Haftung wegen Behandlungsfehler, Haftung wegen mangelhafter Eingriffs- und Risikoaufklärung (sogenannte ärztliche Eigenmacht), Verjährung und Verfahrensrechtliches finden hier eine umfassende Darstellung.
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