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„Social Credit“ bei der Auswahl von Mitgliedern des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft
Von Dr. Oliver Everling | 12.Dezember 2020
„Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, der Hauptversammlung die Mitglieder des nächsten Aufsichtsrats vorzuschlagen, und ist damit de facto für die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder verantwortlich“, schreibt Yvette Bellavite-Hövermann in ihrem Beitrag zum Buch „Social Credit Rating“. „Daraus können Schadenersatzansprüche in Form eines Auswahlverschulden gegen ihn entstehen. Zudem können daraus auch Reputationsrisiken für die Unternehmen erwachsen, deren Tragweite sehr weitreichend sein können und die nicht unterschätzt werden sollten.“
Dr. Yvette Bellavite-Hövermann ist Steuer- und Unternehmensberaterin. Zuvor war Dr. Bellavite-Hövermann über zwei Jahrzehnte in verschiedenen Führungspositionen bei Kreditinstituten insbesondere in den Bereichen Rechnungslegung / Risikocontrolling / Bankenaufsicht tätig. Auf diesen Gebieten hat sie zudem zahlreiche Beiträge veröffentlicht, darunter aber auch ein Leitfaden für den Aufsichtsrat. Dr. Bellavite-Hövermann hat Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft studiert, im Versicherungswesen und Steuerrecht promoviert und eine Banklehre absolviert.
Digitalisierung, Vernetzung, wachsende Datenspeicher- und -verarbeitungskapazitäten verändern die industrielle Landschaft massiv und dringen in alle Lebensbereiche ein. „Es gehört zur Professionalität eines Aufsichtsrats,“ macht Bellavite-Hövermann klar, „sich dem nicht zu verschließen. Big Data-Analysen und -Technologien können im Auswahlprozess neuer Aufsichtsratsmitglieder zu einer besseren Auswahl führen sowie Haftungsrisiken für den Aufsichtsrates und letztlich auch für das Unternehmen reduzieren, auch wenn Algorithmen nur ein Element im Auswahlverfahren sein können und die letzte Entscheidung sowie die Haftung immer bei dem Gremium verbleiben muss.“
Angesichts der Komplexität von Big Data-Technologie muss die Aufbereitung der Daten, auf die der Aufsichtsrat zugreift, von darauf spezialisierten Unternehmen geleistet werden, am besten in privatrechtlicher, nicht öffentlich-rechtlicher Form, jedoch unbedingt kontrolliert von einer staatlichen Aufsicht, z.B. nach dem Vorbild der beaufsichtigen Ratingagenturen, folgert Bellavite-Hövermann in ihrem Artikel: „Bewertung und Gewichtung der Informationen werden dabei eine ständige Herausforderung bleiben.“
Eine solche Innovation bei der Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern wäre nicht vergleichbar mit dem Social Credit System der chinesischen Regierung, unterscheidet Bellavite-Hövermann, mit dem sie das ganze Land flächendeckend überwachen will. „Sie wäre aber in jeden Fall auch weit von den engen Datenschutzbedenken entfernt, die in Deutschland vorherrschen. Das schwedische Beispiel zeigt, dass Transparenz von Personendaten durchaus mit Demokratie und Meinungsfreiheit vereinbar ist.“
Social Credit sieht Bellavite-Hövermann nicht als Allheilmittel, bei der richtigen Ausgestaltung könne es jedoch ein wichtiges Tool sein bei der Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern und folglich dabei helfen, die Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit weiter zu entwickeln.
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