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Sanktionen treffen nicht russische Unternehmen, sondern deutsche Sparer
Von Dr. Oliver Everling | 23.April 2022
Sanktionen gegen Russland treffen deutsche Sparer, die sich auf die Worte ihres Bundeskanzlers verließen und seinem Aufruf folgten.
„Mitarbeiterbeteiligung ist ein Weg, den arbeitenden Menschen ihren gerechten Anteil am erarbeiteten Wohlstand in den Unternehmen und in der Gesellschaft zu geben. Mitbestimmung und Beteiligung am Produktivvermögen tragen auch dazu bei, die rasanten Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft besser zu verstehen und auszuhalten“, sagte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) anlässlich der 50. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft in seiner Rede zum Thema „Mitarbeiterbeteiligung -Aufbruch in das Dritte Jahrtausend“ am 28. März 2000.
Wer den Worten Glauben schenkte, hat heute das Nachsehen: „Was wir alle miteinander wollen müssen, ist,“ sagte der Bundeskanzler damals, „dass wir eine gesellschaftliche, eine wirtschaftliche Kultur in diesem Land bekommen, wo mehr und mehr Menschen auf diesen Aspekt bei der Alterssicherung, aber auch beim Vermögenserwerb nicht nur bauen, sondern sich aktiv daran beteiligen.“
Seine Worte klangen überzeugend: „Bei ist uns es immer noch so, dass die reichsten 10 % der Haushalte rund 50 % des Privatvermögens besitzen, während die untere Hälfte der Gesellschaft nur über rund 4 % am Privatvermögen verfügt. Ich sage das ohne einen Anflug von Neid und rate auch niemandem dazu. Ich rate nur jedem dazu, mitzumachen, das zu verändern.“
Wer nun mitgemacht hat und Aktien insbesondere von solchen Unternehmen kaufte, in denen der Bundeskanzler mit seinem Namen für Glaubwürdigkeit stand, hat nun das Nachsehen. Als Aufsichtsratsvorsitzender des Ostsee-Pipeline-Betreibers Nord Stream AG sowie des Mineralöl- und Gaskonzerns Rosneft (beides russische Staatskonzerne) stand die Reputation des deutschen Bundeskanzlers a.D. für die gute Governance dieser Unternehmen.
Noch am 4. Februar 2022 meldete die deutsche „tagesschau“: „Ex-Bundeskanzler Schröder hat bereits wichtige Posten bei der Nord Stream AG, der Nord Stream 2 AG – und beim russischen Energiekonzern Rosneft. Jetzt soll er auch in den Aufsichtsrat des Staatskonzerns Gazprom.“
Nun aber werden Bankkunden über die Illiquidität ihres angesparten Vermögens ausgerechnet in einer Zeit informiert, in der einerseits Kursrückgänge ihr Aktienvermögen dezimieren, andererseits die Inflationsrate auf das bisher höchste Niveau dieses neuen Jahrtausends gestiegen ist und immer mehr Menschen darauf angewiesen sein werden, auch an ihre Reserven zu gehen.
Zur realen Vermögensvernichtung durch Inflation kommt nun noch die Ausschaltung der Verwertungsmöglichkeiten hinzu. Da die Aktien nicht mehr gehandelt werden dürfen, fallen sie auch als Sicherheit für jede Art von Kredit aus. Als Sicherheit kann nur dienen, was von der Bank im Falle von Zahlungsschwierigkeiten auch verwertet werden kann.
Die Sanktionen gegen Russland und hier konkret gegen die Aktien, mit denen der Alt-Bundeskanzler die Deutschen zum Investieren in Produktivkapital animieren konnte, treffen zwar nicht die sanktionierten Unternehmen – Gazprom oder Rosneft merken davon nichts, ob ihre Aktien in Deutschland Depots wechseln oder nicht -, sehr wohl aber diejenigen, die ihre Ersparnisse im Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik angelegt haben.
Es liegt im Wesen der Börse als Sekundärmarkt, dass aus den Transaktionen an der Börse den Unternehmen, deren Aktien gehandelt werden, nicht unmittelbar eine Zahlung zufließen kann. Wären die Sanktionen auf den Primärmarkt – also dem Markt für die Emission von Aktien – begrenzt, wäre zumindest der ökonomische Unfug dieser politischen Maßnahmen begrenzt, denn aus Erlösen am Primärmarkt fließt den emittierenden Gesellschaften tatsächlich auch Kapital zu.
Beispiel Commerzbank, diese schreibt am 22. April 2022 an ihre Kunden: „wir möchten Sie darüber informieren, dass folgende in Ihrem Depot verbuchten Wertpapierbestände von Sanktionen im Zusammenhang mit der russischen Invasion in die Ukraine betroffen sind“. Es folgt eine Aufzählung der Wertpapierbestände mit Depot-Nr., ISIN und Wertpapierbezeichnung. Gazprom PJSC (US3682872078) und Rosneft Oil Company (US67812M2070) gehören dazu. So aber bleibt es nur beim Schaden für deutsche Sparer und die Russen bleiben unbehelligt.
Der Bundeskanzler sprach einst von der ungleichen Vermögensverteilung: „Man kann es verändern, und zwar nicht zuletzt durch die Beteiligung am Produktivkapital. Produktivkapital meint hier übrigens nicht nur die produzierenden Betriebe, sondern die dienstleistenden in gleicher Weise. Vor allem beim Produktivvermögen gibt es noch einen riesigen Aufholbedarf für die privaten Haushalte: Nur 11 % der Arbeiterhaushalte und 18 % der Angestelltenhaushalte in Westdeutschland besitzen Aktien“, rechnete der Bundeskanzler vor.
Wer seinen Worten Taten folgen ließ, hat nun de-facto „Nonvaleurs“ im Depot, denn die Aktien dürfen nicht mehr verkauft werden, sondern dienen nun dazu, Politik gegen Russland zu machen.
Die Commerzbank schreibt: „Infolge der Sanktionsmaßnahmen sind die betroffenen Wertpapiere zurzeit nicht mehr handelbar. Daher ist es der Commerzbank aktuell nicht möglich, Aufträge im Zusammenhang mit den betroffenen Wertpapieren auszuführen.“
Welches Unheil sich hier für gutgläubige Aktionäre anbahnte, konnten diese schon am 15. März 2022 erahnen. Da wurden nämlich von der Commerzbank die Erträgnisgutschriften wieder zurück gebucht, die den Aktionären des Mineralöl- und Gaskonzerns Rosneft zustanden und rechtmäßig ausgezahlt waren. Erträge, die am 12. November 2021 bereits den Konten der Sparer gutgeschrieben worden waren, wurden von der Commerzbank wieder eingezogen – gleichgültig, ob Deckung auf dem Konto vorhanden war oder nicht.
„Die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand bringt uns jener Teilhabegesellschaft näher, die gerade wir Sozialdemokraten anstreben“, sagte der Bundeskanzler, als er noch im Amt war.
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