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Taiwans politische Landschaft nach den Wahlen: Analyse von Carlos Casanova, Senior Economist bei UBP

Von Dr. Oliver Everling | 15.Januar 2024

Die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) in Taiwan hat bei den Wahlen am 14. Januar zum dritten Mal in Folge die meisten Stimmen erhalten. Dies markiert einen historischen Moment, da es das erste Mal ist, dass eine politische Partei in Taiwan eine dritte Amtszeit erreicht. Trotzdem war der Sieg der DPP kein überwältigender Triumph, da sie im Vergleich zu den vorherigen Wahlen im Jahr 2020 Sitze verloren hat.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Zustimmung zur DPP vor der letzten Wahl gering war. Die damaligen Proteste in Hongkong spielten eine entscheidende Rolle, indem sie viele Wähler dazu bewegten, der DPP ihre Stimme zu geben. Carlos Casanova, Senior Economist Asien bei der Union Bancaire Privée (UBP), hebt diese historische Kontextualisierung hervor, um die politische Dynamik zu verstehen.

Die kommenden politischen Ereignisse könnten von Peking beeinflusst werden, insbesondere im Vorfeld des Nationalen Volkskongresses im März und der Amtseinführung von Lai Ching-te im Mai. Casanova geht jedoch nicht davon aus, dass die geopolitischen Risiken in dieser Region übermäßig eskalieren werden. Er betont, dass Präsident Xi wahrscheinlich vermeiden wird, im Vorfeld der US-Wahlen 2024 in den Mittelpunkt zu rücken.

Interessanterweise könnte eine Minderheitsregierung in Taiwan positive Aspekte für Peking haben, so Casanova. Eine solche Situation könnte dazu führen, dass politische Differenzen zwischen verschiedenen Fraktionen ausgenutzt werden, um Zugeständnisse zu erlangen. Dies könnte zu einer gewissen Stabilität beitragen und die Möglichkeit bieten, politische Beziehungen zu gestalten.

Die DPP sieht sich in der aktuellen Legislaturperiode mit der Herausforderung einer fehlenden Mehrheit konfrontiert und wird gezwungen sein, Bündnisse einzugehen, um ausreichend Sitze zu erhalten. Diese Situation erinnert an die Jahre 2000 bis 2008 unter Chen Shui-bian. In dieser Zeit spielte der Sprecher der Kuomintang (KMT), Wang Jin-pyng, eine entscheidende Rolle als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien. Dadurch konnten mehr Gesetze verabschiedet werden als unter dem früheren KMT-Präsidenten Ma Ying-jeou von 2008 bis 2016, als die KMT eine Mehrheit hatte.

Das Fehlen eines solchen Vermittlers stellt nach Casanova das Hauptrisiko dar, und zwar auf wirtschaftlicher Ebene. Der UBP-Experte erwartet keine wesentlichen Änderungen in der derzeitigen Wirtschaftspolitik. Insbesondere wird es für Taiwan eine Herausforderung sein, sich von der starken Abhängigkeit von der Halbleiterherstellung zu diversifizieren. Gleichzeitig wird die „Neue Süd-Politik“ der DPP voraussichtlich die Direktinvestitionen in Südostasien fördern und die Lohnzurückhaltung im Inland weiter vorantreiben. Diese wirtschaftlichen Aspekte könnten in den kommenden Jahren die Schlagzeilen in Taiwans politischer und wirtschaftlicher Landschaft dominieren.

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