« | Home | »

Bewertungswahnsinn und Spekulationsblasen

Von Dr. Oliver Everling | 8.April 2024

In der Welt der Finanzmärkte wiederholen sich manche Szenarien wie in einem unendlichen Zyklus. Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer bei ODDO BHF SE, wirft in seinem aktuellen CIO View einen kritischen Blick auf die gegenwärtig hohen Bewertungen am Aktienmarkt und zieht Parallelen zur Dotcom-Blase der Jahrtausendwende. „Zur Jahrtausendwende stürzten sich die Anleger massenhaft auf Internet-Aktien und trieben deren Kurse in aberwitzige Höhen“, erinnert Viebig und beobachtet ähnliche Muster heute, insbesondere bei Technologie-Titeln rund um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Die Geschichte zeigt, dass Märkte zuweilen von Spekulationsblasen heimgesucht werden, die von euphorischen Anlegern getragen werden, deren Hoffnungen und Erwartungen sich in unrealistisch hohen Kursen widerspiegeln. „Am Neuen Markt an der Frankfurter Börse wurden über Startups insgesamt rund 200 Milliarden Euro Anlegergeld vernichtet“, so Viebig, der damit die Volatilität und das Risiko von Investitionen in vermeintlich revolutionäre Geschäftsideen aufzeigt.

Doch Viebig betont auch, dass nicht jeder rasche Kursanstieg auf eine Blase hinweist. „Nicht jeder rasche Kursanstieg mündet zwangsläufig in eine Übertreibung“, erklärt er und weist darauf hin, dass die derzeitigen Bewertungen, obwohl gestiegen, noch nicht die Extremwerte erreicht haben, die während der Dotcom-Blase beobachtet wurden. Als Beleg führt er an, dass das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) der IT-Unternehmen im S&P 500 aktuell bei 40,9 liegt, verglichen mit 73,4 im Jahr 2000. Die Eigenkapitalrendite liegt heute bei durchschnittlich 29,8 Prozent, ein deutlicher Anstieg gegenüber den 18,3 Prozent im Jahr 2000.

Die Analyse des freien Cashflows der Unternehmen im S&P 500 und insbesondere der „Glorreichen Sieben“ (Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) unterstützt Viebigs Argument, dass die aktuellen Bewertungen zwar hoch, aber nicht unbedingt irrational sind. „In den vergangenen zehn Jahren seit 2014 ist der freie Cashflow für den S&P 500 um das 2,5-fache gestiegen und für die ‚Glorreichen Sieben‘ um das 4,5-fache“, führt er aus.

Viebig bleibt vorsichtig optimistisch und betont die Bedeutung selektiver Investitionen: „Viele Unternehmen sind schon so hoch bewertet, dass der weitere Kursspielraum kleiner geworden ist. Deshalb investieren wir sehr selektiv in Unternehmen mit einem überzeugenden Geschäftsmodell und einer attraktiven Bewertung.“ Er schließt nicht aus, dass es zu Kurseinbrüchen kommen kann, sieht diese jedoch nicht als sein Hauptszenario. Vielmehr betrachtet er potenzielle Schwächephasen als Gelegenheiten, um Positionen am Aktienmarkt zu günstigeren Einstandskursen zu erhöhen.

Viebigs Perspektive liefert eine umsichtige Analyse der aktuellen Marktsituation, eingebettet in einen historischen Kontext, der verdeutlicht, dass der Marktzyklus sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Die Lektionen der Vergangenheit, kombiniert mit einer sorgfältigen Analyse der gegenwärtigen Daten, scheinen der Schlüssel zu sein, um in einem volatilen Marktumfeld erfolgreich zu navigieren.

Themen: Aktienrating | Kommentare deaktiviert für Bewertungswahnsinn und Spekulationsblasen

Kommentare geschlossen.