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Geldanlage zwischen Ertragschancen, Regulatorik & Verbraucherschutz

Von Dr. Oliver Everling | 4.September 2024

Beim Handelsblatt Banken-Gipfel 2024 trafen sich Erik Podzuweit, Gründer und CEO von Scalable Capital, und Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztip, zu einem kontroversen Streitgespräch über die Zukunft der Geldanlage in Deutschland und Europa. Unter dem Titel „Geldanlage zwischen Ertragschancen, Regulatorik & Verbraucherschutz“ diskutierten die beiden Experten über Themen wie die Bedeutung von ETFs, die Herausforderungen der Kapitalmarktunion und die Risiken neuer Anlageformen wie Krypto-ETFs.

Erik Podzuweit hob zu Beginn des Gesprächs die Fortschritte in der Finanzbildung hervor. „Die Qualität der Finanzbildung, die inzwischen im Internet verfügbar ist, hat sich deutlich verbessert“, lobte er. Insbesondere die Verbreitung von ETFs (Exchange Traded Funds) sieht Podzuweit als eine „gigantische Erfolgsgeschichte in Deutschland“. Er verwies auf den wachsenden Anteil von ETFs an der Vermögensbildung der Deutschen und verglich diesen mit anderen europäischen Märkten wie Großbritannien. In Deutschland hätten immer mehr Anleger erkannt, dass ETFs eine kostengünstige und transparente Möglichkeit zur Geldanlage bieten.

Hermann-Josef Tenhagen stimmte grundsätzlich zu, warnte jedoch vor den Risiken, die mit neuen Anlageformen wie Krypto-ETFs verbunden sind. „Krypto-ETFs haben ein ganz anderes Risikoprofil“, betonte Tenhagen. Diese Produkte seien nicht mit traditionellen ETFs vergleichbar und könnten vor allem für unerfahrene Anleger erhebliche Risiken bergen.

Ein weiteres Thema der Diskussion waren die Riester-Verträge und die aktuellen Ideen, die Investments aus diesen Verträgen zu transferieren. Tenhagen äußerte sich skeptisch zu den bisherigen Reformbemühungen und wies auf die Komplexität und die begrenzte Attraktivität der Riester-Produkte hin. Podzuweit lenkte die Diskussion auf die Bedeutung von Einlagen und Versicherungen, die nach wie vor die wichtigsten Anlageprodukte in Europa seien. Er betonte, dass es wichtig sei, den Anlegern mehr Optionen zu bieten und den Wettbewerb zu fördern.

Podzuweit plädierte leidenschaftlich für mehr Innovation und Wettbewerb auf EU-Ebene. „Ich kann das Gequatsche um die Kapitalmarktunion nicht mehr hören“, sagte er und forderte konkrete Maßnahmen, um die europäische Finanzindustrie zu stärken. Als Beispiel nannte er die automatische Steuerabführung durch Finanzdienstleister, die in vielen Ländern bereits Praxis sei, in der EU jedoch oft durch unterschiedliche nationale Regelungen erschwert werde.

Tenhagen wies darauf hin, dass die politische Unterstützung für die Kapitalmarktunion in Deutschland begrenzt sei. „Die gelbe Partei, die mehr als alle anderen für Europa steht, wird in den neuen Bundesländern als 1%-Partei gesehen“, sagte er und deutete damit die Schwierigkeiten an, die europäische Integration in der Finanzpolitik durchzusetzen. Zudem verwies er auf die wiederkehrenden Regulierungswellen, die durch Finanzskandale ausgelöst würden und regelmäßig zu Verschärfungen führten.

Ein Punkt der Diskussion war die Frage, wie in Deutschland eine stärkere Börsenkultur etabliert werden kann. Podzuweit unterstrich, dass dies nicht erreicht werde, indem Börsengänge immer schwieriger gemacht und durch immer mehr Regulierungen erschwert würden. „Mehr Börsenkultur entsteht nicht durch mehr Regulierung“, so Podzuweit. Er forderte stattdessen eine Vereinfachung der Vorschriften, um Start-ups und Unternehmen den Zugang zu Kapitalmärkten zu erleichtern und so Innovationen zu fördern.

Das Streitgespräch zwischen Podzuweit und Tenhagen zeigte die Spannungen auf, die derzeit die Diskussion um die Zukunft der Geldanlage in Deutschland und Europa prägen. Während Podzuweit für mehr Wettbewerb und weniger Regulierung plädierte, um Innovationen zu fördern und Anlegern mehr Freiheit zu bieten, warnte Tenhagen vor den Risiken, die mit einem zu lockeren Regulierungsrahmen einhergehen könnten, sieht aber in weiterer Regulierung nicht die Lösung. Beide waren sich einig, dass die Finanzbildung der Verbraucher entscheidend ist, um in einem zunehmend komplexen Anlageumfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die Zukunft der Geldanlage wird von der Fähigkeit abhängen, die richtigen Balance zwischen Ertragschancen, Regulatorik und Verbraucherschutz zu finden. Die Diskussion verdeutlichte, dass es hierbei keine einfachen Antworten gibt, sondern dass kontinuierlich an Lösungen gearbeitet werden muss, die den Anforderungen aller Marktteilnehmer gerecht werden.

Themen: Aktienrating, ETF-Rating | Kein Kommentar »

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