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Hohe Steuerlast in Europa: Wachstumshemmnis und Herausforderung für die Staatsfinanzen

Von Dr. Oliver Everling | 28.Oktober 2024

Die Auswirkungen einer hohen Steuerlast in Europa, insbesondere in Frankreich, werden oft unterschätzt – eine Einschätzung, die Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, in seinem aktuellen CIO View bestätigt. Die Steuerlast, die in vielen EU-Ländern stark gestiegen ist, beeinflusst zunehmend Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung negativ.

In seinem Bericht erklärt Viebig, dass die Haushaltsberatungen für 2025 zwar noch andauern, die Herausforderungen für die Finanzminister jedoch bereits deutlich sind: „Es ist dringend erforderlich, die Schuldendynamik zu stabilisieren und die dringend benötigten Haushaltspuffer wieder aufzubauen.“ So beschreibt Pierre-Olivier Gourinchas vom Internationalen Währungsfonds die Situation und unterstreicht den Handlungsdruck auf die Regierungen. Doch der Weg, die Bevölkerung durch steuerliche Belastungen zu entlasten, scheint politisch heikel.

In den großen EU-Ländern ist das Verhältnis der Steuerlast zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den letzten Jahren stetig gestiegen. In Deutschland etwa wuchs die Steuerlast von 36,4 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf 39,3 Prozent im Jahr 2022, wie Viebig feststellt. Besonders drückend sei die Situation in Frankreich, wo die Steuerlast 2022 bei 46,1 Prozent des BIP lag – der höchste Wert aller OECD-Länder. Die steigenden Abgaben belasten nicht nur die Staatsfinanzen, sondern beeinflussen auch das wirtschaftliche Umfeld erheblich.

Frankreich steht vor einem besonders großen Dilemma: Das schwache Wirtschaftswachstum und die hohe Verschuldung zwingen die Regierung zur Haushaltsdisziplin, die jedoch schwer umzusetzen ist, ohne das Wirtschaftswachstum weiter zu beeinträchtigen. Der französische Premierminister Michel Barnier plant deshalb umfassende Maßnahmen zur Reduktion des Defizits, das im Jahr 2024 bei 6,1 Prozent des BIP liegen könnte und die Maastricht-Obergrenze von 3 Prozent weit übersteigt. Seine Strategie sieht Steuermehreinnahmen von rund 25 Milliarden Euro vor, wobei Unternehmen und private Haushalte stark zur Kasse gebeten werden sollen.

Zu den Maßnahmen gehören unter anderem ein „außerordentlicher Beitrag zum Gewinn sehr großer Unternehmen“ in Höhe von 8 Milliarden Euro und ein „Sonderbeitrag für sehr hohe Einkommen“ in Höhe von 2 Milliarden Euro. Auf der Ausgabenseite plant Barnier Einsparungen bei Sozialleistungen, Gesundheitsausgaben und Renten, was insgesamt 14,8 Milliarden Euro einbringen soll.

Viebig stellt fest, dass gerade die steuerliche Belastung von Unternehmen deren Innovationskraft und Investitionsanreize deutlich senke. „Die Steuerlast belastet jetzt schon die Wirtschaft und engt den Handlungsspielraum der Regierung ein“, so seine Analyse. Die wirtschaftliche Dynamik leidet darunter erheblich, da hohe Steuern und Abgaben nicht nur die Konsumnachfrage dämpfen, sondern auch Investitionen ausbremsen. Langfristig könnte die Wachstumsschwäche Frankreichs durch die Steuerlast sogar noch verstärkt werden, was wiederum die Steuerbasis schwächt und den Kreislauf der Belastung verschärft.

Angesichts dieser Herausforderungen sieht Viebig auch die demografischen Trends als ernstes Problem. Ein steigender Altersdurchschnitt in allen EU-Ländern beansprucht die Sozialsysteme immer stärker und verstärkt den Druck auf die Staatsfinanzen. Viebig führt aus, dass „die Sozialsysteme immer stärker beansprucht werden“, was wiederum höhere Beiträge erfordere. Die Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland für das kommende Jahr sei dafür ein klares Beispiel.

Der Spielraum der europäischen Regierungen, auf die Wirtschaft einzuwirken, wird durch die hohe Steuerlast stark eingeschränkt. Besonders Frankreich steht unter starkem Druck, einen Weg zu finden, die Staatsfinanzen zu sanieren, ohne das Wachstum weiter zu schwächen.

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