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ESG-Scoringmodelle in der Kreditvergabe durch Banken
Von Dr. Oliver Everling | 20.Januar 2025
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Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) ist in der Kreditvergabe durch Banken zu einem zentralen Element geworden. Patrick Jackes betont, dass europäische und nationale Aufsichtsbehörden von Banken fordern, ESG-Risiken zu identifizieren, in ihre Entscheidungsprozesse zu integrieren und aktiv zu steuern. Diese Vorgaben zielen darauf ab, finanzielle Verluste zu vermeiden und nachhaltige Entwicklungen zu fördern. Die 7. Novelle der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) hat verbindliche Vorgaben für die ESG-Risikobewertung durch Kreditinstitute eingeführt. Jackes erklärt, dass ESG-Scoringmodelle dabei unterstützen, diese regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Die Bewertung von ESG-Risiken wird zum zentralen Bestandteil der Risikosteuerung einer Bank. Die Notwendigkeit, ESG-Risiken zu messen, ergibt sich sowohl aus dem EU-Aktionsplan für nachhaltige Finanzen als auch aus der 7. MaRisk-Novelle, die die explizite und angemessene Berücksichtigung von ESG-Risiken bei der Kreditrisikobeurteilung und im Kreditvergabeprozess vorschreibt. Diese Bewertung kann entweder im Rahmen eines Risikoklassifizierungsverfahrens oder separat durch ein ESG-Scoringmodell erfolgen. „Scoringmodelle zur Bewertung von ESG-Risiken sind das gängige Vorgehen zum Status quo,“ so Jackes, und sie bieten Banken eine Möglichkeit, Risiken besser zu identifizieren und zu steuern, während sie gleichzeitig den aufsichtsrechtlichen Anforderungen gerecht werden.
Ein idealtypisches ESG-Scoringmodell umfasst sowohl automatisierte als auch einzelkundenspezifische Bewertungen. Die automatisierte Bewertung setzt auf Branchen- und Standortdaten auf Basis externer Datenquellen auf und bietet eine erste grobe Einschätzung der ESG-Risiken eines Kreditnehmers. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie keine individuellen Informationen vom Kunden erfordert, was insbesondere im Mengengeschäft effizient ist. Allerdings kann sie keine spezifischen Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens berücksichtigen, was zu einer weniger genauen Risikoeinschätzung führt.
Für großvolumige Kundenengagements ist eine detaillierte Einzelkundenanalyse erforderlich. Diese Bewertung nutzt spezifische Informationen vom Firmenkunden, um eine genauere Risikoeinschätzung zu ermöglichen. Jackes erläutert, dass hierfür „die notwendigen Daten ausschließlich über den Firmenkunden selbst generiert werden.“ Diese Daten umfassen unter anderem CO2-Emissionen, Energieverbrauch, Arbeitsbedingungen und Unternehmensführung. Banken stellen konkrete Datenanforderungen an ihre Kunden, um diese Informationen zu erhalten, was zu einem umfassenden und relevanten ESG-Datenpool führt.
Der Einsatz von ESG-Scoringmodellen bringt für Banken zahlreiche Vorteile. Diese Modelle ermöglichen eine adäquatere Risikosteuerung, da sie eine breitere Basis für die Risikobeurteilung schaffen und somit das Risiko von Kreditausfällen reduzieren. Zudem unterstützen sie die Erfüllung regulatorischer Vorgaben und fördern Transparenz und Vertrauen bei Investoren, Regulierungsbehörden und der Öffentlichkeit. Durch die Einbindung von ESG-Kriterien in die Kreditvergabe können Banken langfristige Beziehungen zu nachhaltig operierenden Unternehmen aufbauen, die oft finanziell stabiler und weniger risikobehaftet sind.
Für Firmenkunden bieten ESG-Scoringmodelle ebenfalls Vorteile. Unternehmen mit guten ESG-Scores können (zukünftig) bessere Kreditbedingungen erhalten, da sie als weniger risikoreich und zukunftsträchtiger angesehen werden. Dies kann perspektivisch zu niedrigeren Zinssätzen und verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten führen. Darüber hinaus stärkt ein positiver ESG-Score die Reputation und Marktposition eines Unternehmens, was neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet und die Attraktivität für Investoren erhöht. Eine nachhaltige Geschäftsausrichtung kann langfristig Werte schaffen, nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch durch positive soziale und ökologische Auswirkungen.
Dennoch gibt es Herausforderungen bei der Nutzung von ESG-Scoringmodellen. Eine der größten Herausforderungen ist die Verfügbarkeit und Qualität der notwendigen Daten. Oft fehlen umfassende und zuverlässige ESG-Daten, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Zudem fehlt es an methodischer Standardisierung, was zu unterschiedlichen Modellen und Vorgehensweisen zwischen Banken führen kann. Diese Heterogenität kann für Firmenkunden, die Beziehungen zu mehreren Banken haben, eine Herausforderung darstellen, da sie unterschiedliche Datenanforderungen erfüllen müssen. Zudem sind ESG-Risiken dynamisch und können sich durch politische Entscheidungen oder extreme Wetterereignisse schnell ändern, was die kontinuierliche Anpassung der Modelle erforderlich macht.
Zukünftige Entwicklungen im Bereich der ESG-Scoringmodelle werden maßgeblich durch technologische Innovationen und regulatorische Veränderungen bestimmt. Technologische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz, können die Analyse von ESG-Daten verbessern und beschleunigen. Regulatorische Entwicklungen streben eine Harmonisierung der ESG-Bewertung an, was die Vergleichbarkeit und Transparenz von ESG-Daten erhöhen soll. Diese Entwicklungen werden die Bedeutung von ESG-Scores weiter stärken und deren Integration in die Kreditvergabeprozesse vorantreiben.
Zusammenfassend zeigt der Beitrag von Patrick Jackes, dass ESG-Scoringmodelle in der Kreditvergabe durch Banken eine zentrale Rolle spielen und sowohl für Banken als auch für Firmenkunden zahlreiche Vorteile bieten. Trotz bestehender Herausforderungen ist die Integration von ESG-Risiken in die Kreditvergabeprozesse unerlässlich, um finanzielle Risiken zu minimieren und nachhaltige Entwicklungen zu fördern. ESG-Scoringmodelle tragen zur Transparenz bei und unterstützen die Erreichung regulatorischer Anforderungen, während sie gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Banken stärken.
Patrick Jackes ist Projektleiter für den VR-ESG-RisikoScore, ein Klassifizierungsverfahren für ESG-Risiken im Kundenkreditgeschäft zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen, im Bereich Beratung und Prozessmanagement bei dem IT- und Methodik-Dienstleister parcIT GmbH. Neben der methodischen Modellentwicklung begleitet er die Integration des ESG-RisikoScores in die operativen Kreditvergabeprozesse und berät Banken zur Messbarkeit von ESG-Risiken.
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