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Deutschland mit spekulativen Risiken
Von Dr. Oliver Everling | 5.März 2025
Die neue Bundesregierung leitet eine Phase hoher Spekulation und Risiken ein, die sich auf Credit Ratings auswirken könnte. CDU/CSU und SPD haben über Nacht den größten fiskalpolitischen Wandel in Deutschland seit Jahrzehnten angekündigt. Drei zentrale Maßnahmen sollen noch vor dem Ende der aktuellen Legislaturperiode verabschiedet werden: ein Infrastruktur-Investitionsfonds von 500 Milliarden Euro über zehn Jahre, eine Reform der Schuldenbremse zur Ausklammerung der Verteidigungsausgaben sowie die Zulassung eines Defizits von 0,35% für die Bundesländer. Die Unterstützung der Grünen gilt als sicher, da ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung mit diesen Vorhaben in Einklang steht.
Die Zahlen und der politische Kurswechsel sind bemerkenswert. Felipe Villarroel, Portfoliomanager bei TwentyFour Asset Management, betont: „CDU/CSU und SPD haben den größten fiskalpolitischen Wandel in Deutschland seit Jahrzehnten angekündigt!“ Deutschland hat im Vergleich zu anderen G7-Staaten den seltenen Spielraum, um mehr zu investieren und weniger zu sparen. Die unmittelbaren Auswirkungen auf das Haushaltsdefizit werden jedoch zeitverzögert spürbar sein, da Investitionen Zeit benötigen. Laut einer ersten Schätzung von JP Morgan könnte das Defizit auf bis zu 5,5% des BIP ansteigen, doch für eine genaue Einschätzung sind weitere Details erforderlich.
Nach der Wahl wurde allgemein mit einer expansiveren Fiskalpolitik gerechnet, doch das Ausmaß der nun geplanten Maßnahmen übertrifft die Erwartungen. Die neue Regierung weicht damit deutlich von den bisherigen fiskalischen Normen Deutschlands ab. Die Finanzmärkte reagierten umgehend: Aktien stiegen, Kreditspreads verengten sich und Bundesanleihen wurden in den frühen Handelsstunden abgestoßen. Wann genau die erhöhte Emission von Bundesanleihen auf den Markt kommt, bleibt unsicher, doch die Richtung ist klar.
Die geldpolitische Reaktion der EZB wird entscheidend sein. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Europäische Zentralbank ihre Haltung unmittelbar anpasst, doch mittelfristig könnte dies erforderlich werden. EZB-Vorstandsmitglied Isabel Schnabel betonte kürzlich, dass das steigende Angebot an Staatsanleihen ein Faktor für höhere reale Zinssätze ist. Die Markterwartungen an den Endzinssatz für die Eurozone sind bislang um etwa zehn Basispunkte gestiegen. Obwohl die EZB voraussichtlich eine Zinssenkung um 25 Basispunkte vornehmen wird, dürfte der massive Fiskalplan der neuen Bundesregierung in ihre weiteren Überlegungen einfließen, insbesondere da die Inflation noch nicht das angestrebte Ziel erreicht hat.
Aus Sicht internationaler Investoren werden in Euro denominierte Vermögenswerte attraktiver. Die Renditen sind aufgrund der neuen Entwicklungen deutlich gestiegen. Felipe Villarroel hebt hervor, dass sich der beste Weg zur Nutzung dieser Renditen über Kredite und nicht über Staatsanleihen ergibt, da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin stützend wirken. Die kommenden Monate werden zeigen, inwieweit diese fiskalischen und geldpolitischen Entwicklungen die Bonität Deutschlands und seine Credit Ratings beeinflussen werden.
Themen: Länderrating | Kommentare deaktiviert für Deutschland mit spekulativen Risiken
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