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Wieviel Staat braucht die Wirtschaft?
Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2009
„Wieviel Staat braucht die Wirtschaft?“ Das ist das Thema der Paneldiskussion auf dem S&P Forum Frankfurt zu den „Perspektiven für die Finanzmärkte 2010″ mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Universität und Finanzwirtschaft unter der Moderation von Claus Döring, Chefredakteur der Börsen-Zeitung (http://www.boersen-zeitung.de/). Döring richtet an Christine Scheel von der Partei der Grünen die Frage, „braucht die Wirtschaft so viel Staat?“
Scheel war Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages. Es sei das verbreitete Ärgernis von Bürgern, bei Kreditbedarf Probleme zu haben, während anderen der Staat als Retter zur Verfügung stehe. Es sei aber Aufgabe des Staates, sich ein gewisses Regularium zu geben, was den Markt nicht verhindere, aber reguliere. Das wirtschaftliche Geschehen dürfe nicht behindert werden. Das Hauptproblem sei immer noch das Vertrauen, auch die Vertrauenskrise der Bevölkerung in das System. „Wenn wir über ein gemeinsames Europa reden, brauchen wir auch Vertrauen in die Marktteilnehmer, die das Geschehen lenken“, sagt Scheel.
„War der massive Ad-hoc-Eingriff des Staates der bessere Eingriff als der etwas zögerliche hier in Deutschland?“ Döring hinterfragt die Rolle von Staaten in der Finanzkrise im internationalen Vergleich. „Innerhalb von 8 Tagen“, erinnert Edgar Meister, vormals Vorstand der Deutschen Bundesbank, „konnten die Gesetze zusammengebaut werden.“ Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde in kürzester Zeit verabschiedet. Das Beispiel von Lehman habe gezeigt, was es bedeutet, wenn eine Bank dieser Bedeutung und Ausmaßes insolvent werde. Beim „too big to fail“-Problem müsse man mehr ins Detail gehen. Der Staat habe kein Interesse dabei zu sein. „Das bad bank-Gesetz läuft im Januar aus“, so Meister. Es bestehe keine Absicht, die Beteiligungen fortzuführen.
Prof. Dr. Michael H. Grote von der Frankfurt School of Finance & Management unterstreicht, dass man „so viele Beobachtungen bezüglich globaler Finanzkrisen“ nicht habe. „Die Anzahl der Krisen, von denen wir lernen können, ist sehr klein“, fügt Grote hinzu und warnt vor vorschnellen Schlussfolgerungen. Die Kosten der Krisen liegen zurzeit in den Bankbilanzen, später kämen noch die Belastungen auf den Staat hinzu, wenn von staatlichen Garantien Gebrauch gemacht werden müsse. Das so genannte schwedische Modell sei gerühmt worden, weil der Staat gekauft und möglicherweise mit Gewinn wieder verkauft habe. Es gebe keine klare Antworten, wann man den Exit machen solle. Grote warnt vor dem „dünnen Eis“, mitten in der Krise bereits mit wissenschaftlichem Anspruch Rezepte zu verkünden.
„Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir eine europäische Finanzaufsicht hätten“, sagt Scheel und unterstreicht das Erfordernis, international weiterzukommen. Es dürfe sich kein Land und kein Produkt der Aufsicht entziehen – „wir sprechen hier auch von den so genannten Steueroasen“, fügt Scheel hinzu und verurteilt auch die Boni, die im Investmentbereich als Brandbeschleuniger gedient hätten. „Wir nehmen an, dass im nächsten Jahr bei einem Wachstum der Wirtschaft mehr Betriebsmittelkredite notwendig werden“, sagt Scheel. Es sei immer noch eine schwierige Situation, dass den Banken nicht genügend Eigenkapital zur Verfügung stehe, zumal die Ratings ungünstig seien. Wie solle hier nicht der Staat wieder in Vorleistung gehen, fragt Scheel. Der Deutschlandfonds sei konzipiert worden, um 40 Mrd. € kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Nur 15 Mrd. € davon seien beantragt. Scheel skizziert die Problematik, dass zwar Kredite zur Verfügung gestellt werden sollen, es dafür aber auch Kriterien geben müsse. Auch in Zukunft werde es Insolvenzen geben und geben müssen, unterstreicht Scheel.
Scheel tritt dafür ein, dass man auch international zu Regelungen komme bezüglich der Finanzaufsicht. Wenn man aber versuche, sich erst international zu koordinieren, könne viel Zeit verloren gehen. Niemand habe zum Beispiel den Auftrag gehabt, sich bestimmte Finanzprodukte anzuschauen. Der Auftrag der Aufsicht sei zwar „ganz nett“ gewesen, aber die Risiken seien nicht wirklich abgeprüft worden.
In Basel gebe es bereits einen Konsens, wie man Eigenkapital definieren sollte, aber ohne Deutschland. Es gebe einen Konsens darüber, auch das systemische Risiken präventiv in den Griff zu bekommen. Das könne man einerseits durch das Eigenkapital der Banken – dafür gibt es aus Deutschland keine Zustimmung -, andererseits durch die Regulierung jedes Produktes und jeder Finanzinstitution. „Wir sprechen hier über Arbitrage“, sagt Meister. Wenn Banken reguliert würden, Hedgefonds aber nicht, ergibt sich ein „window of opportunity“. Wann man über die Regulierung der Banken spreche, rede man auch über Kosten. Die Engländer hätten ihren Banken zum Beispiel aufgegeben, Staatstitel zu halten. Die Staatsfonds würden aber relativ niedrig verzinst, so dass auch dieses Vorgehen Kostenauswirkungen habe.
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