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Kürzester Leitartikel der Welt
Von Dr. Oliver Everling | 31.Dezember 2009
Der kürzeste Leitartikel der Welt: „AAA“. Ratingagenturen genügen drei Buchstaben, um für Schlagzeilen zu sorgen. Um Titelseiten zu erreichen, bedurfte es nicht erst der internationalen Finanzkrise. In den USA, dem Mutterland des Kreditratings und der Ratingagenturen, genügte schon die Behauptung, die durch das Symbol des AAA zum Ausdruck kommt, um das Interesse von Lesern zu wecken. AAA steht für die Bestnote im Rating: Erklimmt gar ein Industrieunternehmen die oberste Bonitätsklasse, ist der Ratingagentur die Aufmerksamkeit der Leser sicher. Nur fünf Unternehmen erreichten bis 2008 bei S&P’s diese Note, darunter Microsoft, aber tausende vermögensgedeckter Wertpapiere (Asset-backed Securities) von eigens dafür gegründeten Zweckgesellschaften.
Ratinganalysten verleihen mit den konzisen Symbolen von Ratingskalen ihren Meinungen Ausdruck – und berufen sich dabei auf das 1st Amendment der amerikanischen Verfassung oder auf Artikel 5 des Grundgesetzes. Statt langatmiger Aufsätze schreiben Ratinganalysten vergleichsweise kurze Stellungnahmen über die Kreditwürdigkeit wirtschaftlicher Einheiten. Die Gesamtheit aller berücksichtigten Aspekte kondensiert sich schließlich zu einem einzelnen Symbol, abgelesen auf einer Skala von AAA bis C bzw. D, wobei D für die bereits eingetretene Zahlungsstörung steht (Default). Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll es mit dieser Art der freien Meinungsäußerung noch in diesem Jahr zu Ende sein. Eine EU-Verordnung wurde als unmittelbar zwingendes Recht auf den Weg gebracht, um die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte der freien Meinungsäußerung in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für Ratingagenturen einzuschränken.
Ein AAA – meist neudeutsch gesprochen als Triple A – steht für eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass eine so beurteilte Wirtschaftseinheit seinen zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen langfristig stets vollständig und rechtzeitig nachkommt.
Tatsächlich lässt sich anhand der Statistiken führender Ratingagenturen – sogar durch die gegenwärtige Finanzkrise hindurch – beweisen, dass aus der obersten Ratingkategorie heraus kaum je ein Schuldner in die Insolvenz geriet. Schon bei AA oder A – in diesen Kategorien werden zurzeit noch die deutschen Großbanken geführt – kann es von heute auf morgen zur Zahlungseinstellung kommen. Bei einem BBB muss im langjährigen Durchschnitt damit gerechnet werden, dass fast ein halbes Prozent der so beurteilten Adressen seinen Zahlungsverpflichtungen binnen Jahresfrist nicht mehr nachkommt, beim Rating B trifft es in der Regel jeden achten Schuldner.
So dokumentiert es die Statistik – und diese stützt sich auf ein ganzes Jahrhundert. Schon im Jahr 1909 begann John Moody zu „raten“, dem Gründer von Moody’s Investors Service, der zeitweilig zunächst auch für einen der Vorläufer der heutigen Ratingagentur Standard & Poor’s tätig war. Das Rating war eigentlich nicht seine Erfindung. Schon im Wilden Westen wurde auf Pferden Stapel von Unterlagen gepackt und auf weite Strecken geritten, in denen in geheimnisvollen Codes die Zahlungsfähigkeit von Geschäftspartnern dokumentiert wurde. Nur kodiert war es möglich, eine Vielzahl von Informationen in kürzester Zeit von der Westküste an die Ostküste zu befördern.
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