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Abfederung durch Great Moderation
Von Dr. Oliver Everling | 17.April 2008
Die Kreditmarktkrise sei der „Trigger Point“ der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Entwicklung, sagt Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, auf der Kongress Länderrisiken 2008 der Coface Deutschland in Mainz (www.laenderrisiken.de). Daher müsse man sich mit dem Phänomen dieser Krise befassen. Seit der Eruption am Interbankenmarkt habe die Krise einen ganz eigenartigen Verlauf genommen. Die Krise vollziehe sich in unterschiedlichen Wellen mit entsprechend unterschiedlichen Ursachen. Die Aktienmärkte waren zunächst schnell wieder ruhiger, ebenso die Kreditderivate, sagt Hüther.
Mittlerweile sei der Interbankenmarkt ruhiger, dafür Kreditderivate und Aktienmarkt aber nervös. Die Verunsicherung über die Begleitschäden für die Konjunktur und das Finanzsystem sei groß. Hüther glaubt, dass „wir uns derzeit in einer Phase der Übertreibung der Risiken befinden“. In Deutschland und in den USA sei es zu deutlichen Korrekturen bereits gekommen.
Finanzinnovationen ermöglichen eine sachgerechtere Allokation von Risiken, auch eine bessere Arbeitsteilung bei der Produktion der Finanzierung, sagt Hüther, Die Finanzierungskette „Auswahl und Inspektion (Screening), Vertragsdesign, Finanzmittelbeschaffung, Bewachung, Risikoübernahme“ werde zerlegt und von Spezialisten übernommen. Durch den Spezialisierungsvorteil werden geringere (externe) Finanzierungskosten erreicht, so dass bessere Investitionsmöglichkeiten genutzt werden können. Bei der Zerlegung wurden die Anreize zerlegt, teils aber auch zerstört, zeigt Hüther auf.
Die Krisenwahrnehmung dürfte nicht zu einer Vielzahl von Regulierungsaktivitäten des Staates führen, warnt Hüther. Die Zahlen des IMF, gibt Hüther dem Präsidenten der Coface, Francois David, recht, seien „eher der Unterhaltungsbranche zuzuordnen“. Die Taylorregel zeige eine expansive Geldpolitik in den USA seit 2002. „Tauben fliegen schneller als Falken“, so die Logik. Die Stärke und Breite der Ereignisse von 2001 sei in ihren Auswirkungen schwer abschätzbar gewesen, entsprechend habe die Geldpolitik vorsichtig reagiert.
Die Arbeitslosigkeit in den USA sei noch vergleichsweise niedrig, aber steigend, zeigt Hüther anhand der Statistik. Die Rezessionswahrscheinlichkeit sei zwar gestiegen, aber ein „falscher Alarm“ sei möglich, warnt Hüther. Für die USA sei ein Wachstum von 1,5 % wahrscheinlich. Fast in allen Volkswirtschaften seien statistisch gesehen die Schwankungen nicht mehr so hoch wie früher. Die Verortung der Volkswirtsschaft im Konjunkturzyklus werde dadurch schwieriger.
Die Amplitude der zyklischen Komponente des BIP habe sich systematisch verringert. Das Verhältnis der Länge der Expansionen zur Länge der Kontraktionen sei gestiegen, so Hüther. Die Ölpreisschocks werden leichter verarbeitet und Inflationserwartungen sind besser verankert. Man könne daher nicht mehr so einfach mit den Erfahrungswerten der Vergangenheit arbeiten. Die „Great Moderation“ habe isch auch in Deutschland gezeigt. In den USA seien die Standardabweichungen der Pro-Kopf-Wachstumsraten von 2,7 auf 1,7 % gesunken, in Deutschland von 2,5 % auf 1,5 %, zitiert Hüther aus amerikanischen Untersuchungen. Hüther glaubt, dass eine verstetigte Geldpolitik, eine objektivierte Geldversorgung der Wirtschaft, einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung leiste. Dadurch würden ein Teil der Risikoprämien aus den Zinssätzen herausgenommen.
Ausgangspunkte der Savings & Loan-Krise in den 1980er Jahren und der heutigen Subprime-Krise seien ähnlich, denn auch damals wurden Geschäfte gemacht, deren Risiken den Akteuren nicht voll bewusst waren. Bis in die 1990er Jahre seien die Nachwirkungen dieser Krise spürbar gewesen. Heute dagegen seien – im Unterschied zu damals – die Risiken sofort verteilt worden, wozu die Derivatemärkte einen entscheidenden Beitrag geleistet hätten, so Hüther auf den Kongress der Coface.
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