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Ökonomie vs. Zivilrecht vs. Aufsichtsrecht

Von Dr. Oliver Everling | 31.Januar 2010

Die aus den Bereichen Ökonomie, Zivilrecht und Aufsichtsrecht in das konkrete Kunden- / Risikoprofiling grundsätzlich einbeziehbaren Aspekte, Argumente und Interdependenzen werden in verschiedenen Beiträgen des Buches „Risikoprofiling von Anlegern“ erörtert. Insbesondere kann auf die Beiträge von Mertens, Lucius, Müller und Davey/Resnik hingewiesen werden.

„Festzuhalten bleibt aus aufsichtsrechtlicher Sicht,“ fügt Ludger Michael Migge, Ass. Iur., LL.M., Referent im Bereich Wertpapieraufsicht / Asset-Management der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Frankfurt am Main, in seinem Beitrag zum Buch hinzu, „dass Methodik, Systematik, Kriterien, Verfahren und Dokumentation der Institute zum einen den formalen gesetzlichen Vorgaben entsprechen müssen und zu anderen materiell geeignet sein müssen, das (kollektiv-orientierte) Normziel der Marktverhaltensaufsicht zu erreichen: Schutz der wirtschaftlichen Entschließungsfreiheit der Kunden und ihrer materiellen wirtschaftlichen Interessen.“

Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Kunden- und Risikoprofiling geht Migge auf das Verhältnis der drei Elemente Ökonomie, Zivilrecht und Aufsichtsrecht ein: Seine ökonomische Analyse des geltenden Rechts, sowohl des Zivil- wie des verwaltungsrechtlichen Aufsichtsrechts gibt Hinweise, wie ihre Normen in der Realität wirken, insbesondere, ob die intendierten Zwecke tatsächlich erreicht werden. Nach dem Grundgesetz ist es allerdings aufgrund der Staatsstrukturzielbestimmungen in Art. 20 GG nicht möglich, dass sich das Recht allein oder auch nur überwiegend nach den „Gesetzen“ der Ökonomie richtet. Die Ökonomie ist damit Prüfstein, aber nicht Maßstab für das Recht.

Das Haftungs- und Vertragsrecht als Zivilrecht und das Aufsichtsrecht als öffentliches Verwaltungsrecht sind nach bisheriger deutscher Rechtstradition geschiedene Sphären und folgen grundsätzlich eigenen Regeln, zeigt Migge auf. „Da aber beide Rechtsgebiete die Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere die Grundrechte sowohl der Kunden als auch der Institute zur Geltung zu bringen haben, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang die verwaltungsrechtlichen Pflichten des Instituts vom Kunden in einem zivilrechtlichen Haftungsprozess geltend gemacht werden können“, so Migge. Diese Frage scheint ihm durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum WpHG der Vor-MiFID-Zeit entschieden zu sein. Danach haben die aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten nur mittelbare Bedeutung bei der Bestimmung der (vor-)vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten. Eigenständige Schadensersatzansprüche können daraus nicht abgeleitet werden.

Angesichts der ausdrücklich kundenbezogenen und sehr viel detaillierteren Bestimmungen des WpHG in der MiFID-Zeit und der sich weiter entwickelnden Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates für Unternehmen und Kunden, insbesondere auch im Aufsichtsrecht, besteht zumindest, argumentiert Migge, die Chance einer angemessenen gesetzgeberischen Koordination und Verbindung dieser bisher getrennten Welten – und damit auch ihrer Entlastung von nur kostensteigernden, aber effektiv wirkungslosen Formalismen.

Staatliche Regulierung rechtfertigt sich nur dort, wo ein tatsächliches Marktversagen nicht durch zivilrechtliche Haftung zwischen den Vertragspartnern ausreichend kompensiert wird. Je mehr das zivile Haftungsrecht mit den erwiesenermaßen praktisch wirksamen und kundenschützenden Bestimmungen des Aufsichtsrechts verbunden wird, desto eher kann auf Bürokratie verzichtet werden – vorausgesetzt, das verbleibende Aufsichtsrecht stellt einen fairen Ausgleich der auf beiden Seiten des Vertrages berührten Grundrechte dar.

Migge weist darauf hin, dass sein Beitrag seine persönliche Meinung und nicht die Amtsmeinung der BaFin wiedergibt.

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