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Europas Staatsschuldenkrise: Das „Endgame“ naht
Von Karl-Heinz Goedeckemeyer | 1.Dezember 2010
Am gestrigen Abend gab die Ratingagentur S&P bekannt, die kurz- und langfristigen Kreditbewertungen von Portugal auf „Creditwatch Negative“ zu setzen. Damit droht in den kommenden drei Monaten eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals.
Nach Island, Lettland, Rumänien, Ungarn und Griechenland ist Irland der sechste Staat der Europäischen Währungsunion, der in der aktuellen Krise die Hilfe anderer Staaten erhält, wobei die zuletzt genannten unter den in der Eurozone gespannten Rettungsschirm gekommen sind. Normalerweise müsste mit der Rettungsaktion in Irland Ruhe an den Märkten einkehren – doch weit gefehlt. Inzwischen ist an den Märkten längst eingepreist, dass auch Portugal demnächst unter dem Rettungsschirm von EU und IWF kommen wird.
Wie desolat die Lage Portugal ist, zeigt der am Dienstag veröffentlichte Finanzstabilitätsbericht, in dem die portugiesische Zentralbank vor einem Scheitern der Haushaltssanierung gewarnt hat. Sollte es nicht zu Maßnahmen kommen, die Staatsfinanzen glaubwürdig und nachhaltig zu konsolidieren, werde das Risiko für die Banken untragbar, heißt es. Da Portugal so gut wie „abgehakt“ ist, richten sich die Blicke der Investoren bereits auf Länder wie Spanien und Italien. Danach dürften Belgien und Frankreich ins Visier geraten – und letztendlich auch Deutschland.
Wenn man die Risikoaufschläge für die bedrohten Länder in der Peripherie genauer unter die Lupe nimmt drängt sich der Verdacht auf, ob diese längst insolvent sein müssten. Das heißt der Markt verlegt sein Augenmerk weg von den unmittelbaren Funding-Problemen hinzu Solvenz- und Liquiditätsfragen einzelner Länder. Dass dies nicht unbegründet ist, lässt sich an der Rettungsaktion für Irland ablesen. Die Iren müssen für Ihre Hilfen einen Zinssatz in der Höhe von 5,8 % an den Rettungsfonds (ESFS) zahlen. Hier stellt sich mit Blick auf die ohnehin schon schwierige Finanzlage des Landes die Frage, wie lange Irland diesen Schuldendienst wird leisten können?
Da das Wachstum des Landes in den kommenden Jahren deutlich unter dem, das Irland in den vergangenen Jahren generiert hat und unter den Durchschnitt der Eurozone liegen wird, stellt sich die Frage, wie Irland diese Schuldenlast ohne Restrukturierung leisten will. Dass der Markt nunmehr bereits von einer Insolvenz ausgeht, lässt sich auch an der Rendite der zehnjährigen Anleihen ablesen, die am Dienstag auf 9,5 % gestiegen ist. Zugleich sind auch die Risikoaufschläge von Italien und Spanien gegenüber 10-jährigen Bundesanleihen auf neue Rekordhöhen gestiegen – und zwar auf 189bp bzw. 266bp. Hinzu kommt, dass der griechische Finanzminister Papaconstantinou eine Verlängerung der Darlehnszahlung auf 2017 – statt 2014 und 2015 – erbeten hat, unter Inkaufnahme eines höheren Zinssatzes von 5,5 % auf 5,8 %. Ähnlich wie Irland werden die Griechen unter der schweren Zinslast ächzten.
Doch damit nicht genug: Am gleichen Tag hat die Europäische Kommission ihre Prognose für das Wachstum in der Eurozone für 2011 auf ein realistisches Niveau von 1,5 % gesenkt. Des Weiteren teilte die Institution mit, dass, Spanien sein Defizitziel nicht erreichen und dass alle Peripherie-Länder hinter den ursprünglichen Wachstumsprognosen zurück bleiben dürften. Was für eine Überraschung!
Was Investoren jedoch viel mehr beunruhigen sollte ist die Tatsache, dass deutsche Bundesanleihen, die bisher einen „safe-heaven“-Status genossen, in den letzten Handelstagen in Verbindung mit einem positiven Beta bis auf 2,75 % gestiegen sind. Die Belastungen aus den Rettungspakten zeigen also auch bei den Bundesanleihen ihre Wirkung.
Bisher ist der Markt davon ausgegangen, dass sich die Schuldenkrise auf die Peripherie begrenzen wird. Da sich jedoch die Krise in Europa weiter zuspitzt werden auch Spanien und Italien bald unter Druck geraten und wohlmöglich Hilfsgelder aus dem Rettungsfonds beanspruchen müssen. Während Spanien die Verschuldung aus dem privaten Sektor (Unternehmen und Haushalte) auf über 200 % des BIP gestiegen ist (nur Irland ist mit rund 340 % stärker verschuldet) und der immense Hauspreisverfall noch nicht gestoppt ist (immerhin sind die Immobilienpreise im Zeitraum 1990 – 2009 um 80 % gestiegen) und die Arbeitslosenrate im September mit 20,8 % einen neuen Höchststand erreicht hat, beläuft sich die Verschuldung in Italien auf etwa 130 % des BIP. Wenn man jedoch die Gesamtschulden beider Länder betrachtet wird die Situation bedrohlicher. Laut dem IWF belaufen sich die Schulden in Spanien auf 342 % und in Italien auf 298 % des BIP. Nur in Großbritannien liegen die Gesamtschulden mit 380 % des BIP noch höher.
Bislang hat Italien immer darauf verwiesen das die Staatschulden fast 100 % durch Ersparnisse der Haushalte gedeckt sind. Inzwischen hat sich jedoch einiges gegen Italien entwickelt. Da die Italiener nicht mehr so sparen wie in der Vergangenheit werden die Staatsschulden nun schon mit 45 % vom Ausland finanziert. Da auch das Wachstum im kommenden Jahr schwächer ausfällt als die Eurozone, und die Politik vor einem Scherbenhaufen steht, dürft es nur eine Frage der Zeit sein, wann Italien zu einer Gefahr für die Eurozone wird. Zur Finanzierung des Defizits wird Italien 367 Mrd. Dollar (2009-2013) aufbringen müssen, Spanien in der gleichen Zeit 333 Mrd. Dollar. Das heißt, dass auf beide Staaten den Großteil der Refinanzierungslasten in der Eurozone tragen.
Solange die Staaten ihre Schulden über eine grundlegende Restrukturierung nicht in den Griff bekommen, solange dürften die fundamentalen Probleme in der Eurozone nicht verschwinden. Mit Blick auf die jüngsten Rettungsaktionen drängt sich der Eindruck auf, dass die Staaten lediglich an den Symptomen herumdoktern und die Verantwortung für die Schuldenlast auf internationale Institutionen abwälzen, statt die wirtschaftliche Stagnation mit Budgetkürzungen in Verbindung mit einer grundlegenden Umstrukturierung der Wirtschaft offensiv angehen.
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