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Verbundeigene Ratingagenturen

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2011

Im Buch “Ratingagenturen” befasst sich Dr. Andreas Buschmeier mit Wettbewerb und Transparenz im Ratingmarkt, wie auch der Untertitel ankündigt. Das Buch aus dem Gabler Verlag der Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (www.gabler.de, ISBN 978-3-8349-3036-1) beruht auf der bei Prof. Dr. Rainer Stöttner am Institut für BWL, Lehrstuhl für Finanzierung, Banken und Versicherungen der Universität Kassel entstandenen Dissertation.

Der Titel könnte vermuten lassen, dass sich das Buch mit allen Arten von Ratingagenturen befassen würde. Dazu würden dann auch solche Agenturen zählen, die sich beispielsweise auf Ratings für Investmentfonds, offene und geschlossene Fonds, Versicherungsprodukte und –policen, Investmentzertifikate, ETFs oder Immobilienfonds, Immobilieninvestitionen oder andere Finanzprodukte spezialisiert haben. Mit “Ratingagenturen” spricht Buschmeier nur diejenigen Agenturen an, die Ausfallrisiken aus Forderungstiteln wie Anleihen und Krediten analysieren.

Buschmeier nimmt den Anfang bei den theoretischen Grundlagen des Kreditgeschäfts, befasst sich dann mit der Aufsicht und Regulierung von Banken und Ratingagenturen, mit den Ratingformen nach Basel II und schließlich mit einem eigenen Modell eines zentralisierten bankinternen Ratings der Institutsgruppen.

Das Buch eignet sich hervorragend für Studierende der Bankbetriebslehre, von den Funktionen der Banken an diejenigen von Ratingagenturen herangeführt zu werden, denn es zeigt anhand der gängigen theoretischen Grundlagen (Stichworte Informationsasymmetrien, “moral hazard” usw.) die Problematik der Aufsicht über Kreditinstitute auf und führt damit zur Erkenntnis der Notwendigkeit unabhängiger Ratingagenturen.

Angesichts der problematischen Struktur des Ratingmarktes, der gegenwärtig von nur drei US-amerikanischen Agenturen dominiert wird, kann es für Buschmeier nicht bei dem “suboptimalen Marktzustand” bleiben. Daher stellt er ein Modell vor, wie aus den gegenwärtigen Säulen des deutschen Bankensystems von den jeweiligen Verbünden getragene Ratingagenturen hervorgehen könnten.

Die Frage nach einer neuen Ratingagentur ist hoch aktuell, allerdings eher auf europäischer Ebene. Daher ist nach den Ansatzpunkten zu fragen, wie aus dem dreigliedrigen deutschen Bankensystem die Voraussetzungen für eine international reputierte Ratingagentur hervorgehen könnten. Dabei sind die Zersetzungstendenzen zu berücksichtigen, denn einerseits beteiligte sich in der Finanzkrise der Staat an Instituten, die einst zu den Hauptrepräsentanten des “privaten” Bankgewerbes zählten, und andererseits wird für öffentliche Banken um privates Kapital geworben.

Die Delegation der Ratingaufgaben auf jeweils verbundeigene Agenturen innerhalb der Bankengruppe auch mit Blick auf Basel II bzw. III wirft Fragen nach der Effizienz einer solchen Organisation des Kreditgeschäfts auf, da sich diese neuen Ratingagenturen in die Kundenbeziehungen der zum jeweiligen Verbund zählenden Kreditinstitute einschalten müssten. Eine Folge könnte darin bestehen, dass “weiche” Ratingkriterien noch weiter zugunsten “harter”, also von Prüfern kontrollierbarer, objektiver Kriterien verdrängt werden.

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um eine europäische Ratingagentur ist bei den Vorschlägen von Buschmeier zu beachten, dass diese sich stark an den von Basel II geprägten Vorstellungen eines “Ratings” orientieren, das letztlich nur eine Klassifikation der “Probability of Default” (PD) binnen Jahresfrist zum Zwecke der Kalkulation der Eigenmittelunterlegung im Kreditgeschäft der Banken darstellt und nicht die Perspektive institutioneller Investoren nimmt, die sich mit Hilfe unabhängiger Ratings über die Zins- und Tilgungswahrscheinlichkeiten einer langfristig zu bedienenden Schuldverschreibung orientieren wollen.

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