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Warnschuss fürs Aaa bei Microsoft
Von Dr. Oliver Everling | 20.Juli 2012
Microsofts Abschreibung des Kaufs von aQuantive wurde von der Ratingagentur Moody’s aufmerksam beobachtet. Schon am 10. Juli 2012 warnte Moody’s, dass darin eine negative Entwicklung zu sehen sei, die bei Microsoft zum ersten Quartalsverlust seit über zwei Jahrzehnten führen könnte. Dieser Verlust wurde nun bestätigt.
Microsoft hatte zuvor schon angekündigt, eine nicht zahlungswirksamen, steuerlich nicht abzugsfähige Belastung in der Gewinn- und Verlustrechnung während des vierten Quartals des Geschäftsjahres 2012 für die Wertminderung des Goodwill in seiner Online Services Division („OSD“) hinnehmen zu müssen.“Die Abschreibung wird wahrscheinlich zum ersten vierteljährlichen Verlust von Microsoft in den vergangenen 20 Jahren führen und ist für ein Aaa-beurteiltes Unternehmen ungewöhnlich. Obwohl peinlich, hat die Abschreibung keinen Einfluss auf unsere Erwartungen, dass Microsoft über 20 Milliarden Dollar an freiem Cash-flow im nächsten Jahr zu generieren in der Lage ist“, kommentieren die Analysten von Moody’s.
Die US-Ratingagentur stützt sich in ihrem Urteil insbesondere auf die Fähigkeit von Microsoft, weiterhin freien Cash-flow aus dem Verkauf seines Betriebssystems und seiner Produktivitätssoftware zu erwirtschaften. Microsoft landet zwar nicht auf Watch-Status. Das Aaa bleibt stabil. Immerhin ist Moody’s Analysten aber bewusst und es eine Pressemitteilung wert, auf den latenten Widerspruch eines solchen Quartalsverlustes zum Status eines Aaa-Emittenten zu sprechen zu kommen. Microsoft war von 1999 bis 2001 Aa3, von 2001 bis 2004 Aa2 geratet. Die Ratinghistorie wurde durchbrochen und erst ab 22. September 2008 mit Aaa fortgesetzt, also kurz nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers Inc. am 15. September 2008, mit der weltweit die Turbulenzen an den Finanzmärkten ihre Höhepunkte erreichten.
Würde es die Freundschaft zwischen Warren E. Buffett und Bill Gates belasten, wenn Buffet’s Ratingagentur Gates‘ Softwarekonzern herabstufen würde? Das Unternehmensrating von Microsoft Corp. ist AAA und Aaa sowohl von Standard & Poor’s Rating Services als auch Moody’s Investors Service Inc. Commercial Paper wird ebenfalls in den obersten Kategorien beurteilt, A-1+ durch Standard & Poor’s und P-1 durch Moody’s.
Der Niedergang einer AAA-Ikone beginnt oft mit zunächst leicht korrigierbaren Fehlern, wurzelt aber meist in strategischen Fehlern, die sich erst nach Jahren bis hin zu den Gläubigerpositionen mit Verlusten auswirken. Microsoft’s Abhängigkeit von Erträgen aus dem Verkauf von Windows und Office-Programmen ist nach wie vor hoch. Noch ist vielen Nutzern nicht bewusst, dass die meisten, täglich benötigten Funktionen dieser Programme bereits durch winzige Apps erledigt werden können, die gratis oder gegen geringes Entgelt auf Endgeräte verschiedener Art geladen werden können, von denen die meisten schon heute ohne das Betriebssystem Windows auskommen oder betrieben werden können.
Das von Microsoft anfänglich „verschlafene“ World Wide Web macht dem Konzern nun doppelt zu schaffen: Zum einen sind viele Microsoft-Produkte nicht mehr an der Speerspitze der Entwicklung im Web 2.0 und höher, zum anderen wird durch das Internet der Zugang zu alternativen Betriebssystemen und Anwendungen wie nie zuvor dem Nutzer transparent gemacht und erleichtert. Wer in Zeiträumen von Generationen denkt, kann sich daher vorstellen, wie auch Microsoft in zwanzig Jahren zu den einstigen Aaa-Adressen gehören könnte, die nach Moody’s Ausfallstatistik nach zahlreichen kleinen Schritten der Herabstufung in den spekulativen Bereich und schließlich in Schwierigkeiten geraten.
Langfristige Ratings werden mit einem Prognosehorizont von vier bis fünf Jahren erstellt. Während kurzfristig ein Aaa für eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit spricht, dass der so beurteilte Emittent rechtlich gebunden, wirtschaftlich in der Lage und willig ist, seinen zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen, muss unterstrichen werden, dass mit einem Aaa keine Garantie gegeben wird, dass es langfristig nicht doch zu Herabstufungen kommen könnte. Das gilt auch dann, wenn – wie im Falle von Microsoft – der Ausblick heute noch stabil ist, denn dieser gilt ebenfalls nur für einen begrenzten Zeitraum.
Viele Microsoft-Produkte schleppen immer noch die alte Welt des Bemalens, des Beschriftens und des Bedruckens von Papier in sich. Seitenformate, Formatierungen, Seitenumbrüche, Seitenzählungen usw. sind alles Funktionen, die mit jeder Datei transportiert werden müssen, aber nur in der alten Welt von Bedeutung waren, als in Büros und zu Hause noch wie verrückt ausgedruckt und auf Papier gelesen und gearbeitet wurde. „Ordner“ statt „Labels“ ahmen noch heute bei Microsoft-Produkten staubige Büroregale nach, statt Anwender an die volle Kraft der digitalen Revolution im Büro heranzuführen. Das alles sind nur Beispiele dafür, worin der Keim künftig nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und schließlich auch wachsender finanzieller Engpässe eines Aaa-gerateten Konzerns begründet liege könnte. Microsoft blieben heute noch die Bestnote im Rating und die Chance, mit ihren neuen Produktgenerationen Spitzenstellungen zu behalten.
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