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Standardisierung der Transparenz von Finanzprodukten

Von Dr. Oliver Everling | 24.September 2012

Offenlegungspflichten nach MiFID, Beraterregister, Transparenzvorschriften (UCITS / PRIPs), Beratungsprotokolle / PIBs, Tendenzen zur Nachberatung – das sind Elemente des Regulierungsumfeldes der Anlageberatung in einem schwierigen Marktumfeld, das durch Niedrigzinsen, politische Unsicherheiten, steigende Inflation und hohes Bedürfnis nach Sicherheit auf Kundenseite gekennzeichnet ist, berichtet Prof. Dr. Lutz Johanning von der WHU Otto Beisheim School of Management auf dem Deutschen Derivate Tag 2012, der vom Deutschen Derivate Verband in Frankfurt am Main veranstaltet wird. Schadensersatz, wenn eine Provision in einem offenen Investmentfonds verschwiegen wurde (OLG Stuttgart) oder dem Anleger Risiken nicht hinreichend erläutert wurden (OLG München), erhöht das Risiko der Beratung.

Bessere Verständlichkeit und Vergleichbarkeit von Finanzprodukten, Komplexität darf nicht zum Nachteil des Anlegers genutzt werden, (Wieder-) Aufbau von Vertrauen beim Anleger – das sind Zeile bei der Anlageberatung gemäß aktueller Regulierung und Konsultationsverfahren. Fonds gelten als „nicht-komplex“, Zertifikate dagegen als „komplex“, denn so wird die Komplexitiät in WpHG und MiFID erfasst. Johanning wirft die Frage nach der Standardisierung der Transparenz auf.

Komplexität ist abhängig von der Kompetenz des Anlegers bzw. Entscheiders. Johanning argumentiert, dass für manchen Trader eine Algorithmus nicht als „komplex“ erscheint, den er selbst gut durchschaut. Wie widersprüchlich die Regulierungsversuche sind, zeigt sich beispielswiese daran Cliquet-Option als nicht-komplex, Barrier-Option dagegen als komplex zu klassifizieren, oder Gold als nicht-komplex, Silber dagegen als komplex.

Für den Privatanleger seien wahrscheinlich mehr oder weniger alle Produkte „komplex“, räumt Johanning ein. Eine Kapital-Lebensversicherung enthalte ein jährliches Garantieversprechen und entspricht derivativer Struktur. Der Bausparvertrag umfasse in seinem Zyklus im Wesentlichen die Anspar-, die Zuteilungs- und die Tilgungsphase. Alle Phasen sind durch vielfältige, nicht vom Basisvertrag trennbare Optionsrechte gekennzeichnet. Entsprechend ist der Bausparvertrag als strukturiertes Finanzinstrument zu qualifizieren, zitiert Johanning den Finanzbericht 2010 der Bausparkasse Schwäbisch Hall.

Nur rund 2,3 % des investierten Marktvolumens strukturierter Anlageprodukte sei in der riskantesten Risikoklasse investiert, berichtet Johanning. Ein kleines Risiko könne aber potentiell einen hohen Schaden verursachen, so die Erfahrung mit dem Bonitätsrisiko beim Zertifikateemittenten. Johanning unterstreicht die Bedeutung der öffentlichen Verfügbarkeit von Informationen zu den wesentlichen Eigenschaften von Finanzprodukten.

Johanning erläutert verschiedene Formen der Transparenz, wie beispielsweise der „erzählerischen“ durch PIB, und den Zusammenhang zum Thema „Standardisierung“: Jede Form von menschlicher Interaktion beruhe zu einem gewissen Grad auf Vereinheitlichung, auf gemeinsamen Begriffen und klar umrissenen Bedeutungen, ohne die weder sinnvolle Kommunikation noch Austausch möglich seien.

Allein in Frankreich habe es 1790 noch 700 oder 800 verschieden bezeichnete Maße gegeben und gleiche Worte bezeichneten unterschiedliche Größen. Johanning wirft einen Blick in die Geschichte der Maßeinheiten und auf das Schicksal des Ur-Meters, gegen den sich erheblicher Widerstand der Regionen regte. Auch die Wissenschaften litten unter dem Sprachgewirr, da man Messergebnisse nicht vergleichen konnte.

Auch die Einführung des Elektroautos werde nicht gelingen, wenn es keine Standardisierung von Maßen gebe, warnt Johanning. Im Falle der Finanzwirtschaft gehe es nicht um die Standardisierung der Produkte, sondern der Transparenz. In der Rechtsprechung sei man stets auf Einzelprodukte fokussiert: Richter würden nicht danach fragen, ob zwar ein Verlust bei einem Produkt eingetreten sei, aber dieser im Kontext eines Gesamtportfolios tragbar oder sogar unter Aspekten der Diversifikation in gegenläufige Risiken sinnvoll sei.

Mit der Skalierung von Risiko, Portfolioeignung, Bonitätsrisiko, Veräußerbarkeit, Managementkosten, Renditepotential und Vertriebskosten zeigt Johanning verschiedene Dimensionen auf, die zur Standardisierung von Transparenz herangezogen werden können. Kennzahlen ermöglichen keine perfekte Prognose der Produkteigenschaft, warnt Johanning. Die Aufsicht könne aber Mindestanforderungen an die Berechnung von Kennzahlen stellen, denn „Wiedererkennung“ fördere die Vergleichbarkeit und Verständlichkeit.

Themen: Transparenzrating, Zertifikaterating | Kommentare deaktiviert für Standardisierung der Transparenz von Finanzprodukten

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