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Macht der Ratingagenturen
Von Dr. Oliver Everling | 30.Mai 2013
Die Macht der Banken bringt schon seit Jahrzehnten in geradezu regelmäßigen Wellen Literatur hervor, die für eine breite Öffentlichkeit Licht in das unbegreifliche Dunkel wirtschaftlicher Abhängigkeiten und Machenschaften werfen soll. Bis Ende des 20. Jahrhunderts war mit Blick auf Ratingagenturen diese Art von Enthüllungsliteratur eher eine Ausnahme.
Seit dem Beginn der Finanzkrise, die in „zu guten“ Ratings im Subprime-Segment der US-amerikanischen Finanzmärkte ihren Ausgang nahm, machen sich Autoren auch die „Die geheime Macht der Ratingagenturen“ zunutze – so auch der Titel von Ulrich Horstmann im FinanzBuch Verlag (ISBN E-Book 978-3-86248-422-5).
Das Wort „auch“ spielt im Buch von Horstmann eine große Rolle, denn das Buch zeigt, wie „auch“ die Ratingagenturen Schuld an Fehlentwicklungen des globalen Finanzwesens tragen. Der im Schreiben derartiger Buchtitel geübte Horstmann macht sich seine Kenntnis der Finanzkrise zu nutze, um pointiert die führenden US-amerikanischen Ratingagenturen zu kritisieren.
Das Buch ist klar dem Medienangebot des „Infotainments“ zuzuordnen, indem Information und Unterhaltung so kombiniert werden, dass für den Leser die Lektüre von mehr als 300 Seiten ansonsten spröder Fachmaterie nicht nur erträglich, sondern sogar spannend wird. An Versuche wie den von Horstmann werden sich die Ratingagenturen gewöhnen müssen, deren Ratinganalysten in den letzten Jahren sogar Bekanntschaft mit der Atmosphäre von TV-Shows mit Politikern und mit kurzerhand ernannten Ratingexperten machen mussten.
Der promovierte Horstmann legt hier kein wissenschaftliches Buch vor. So springt schon im Inhaltsverzeichnis ins Auge, dass S&P’s als „Early Starter“ im Rating präsentiert wird. Das ist so ähnlich, als ob man die 1472 gegündete Banca Monte dei Paschi di Siena als erste Internet-Bank bezeichnen würde, weil die älteste noch geschäftstätige Bank heute auch Internet Banking betreibt.
Dem Anspruch an gute Unterhaltung wird Horstmann gerecht, indem er in einem frei erfundenen Prolog ein Krisenzenario eines Finanzkollaps zeichnet. Ebenso gibt er beispielsweise die komplette Fischer-Anekdote von Heinrich Böll zu lesen.
Horstmann hat in der Praxis eher weniger mit Ratinganalysten zu tun. Er zeichnet das Bild von Analysten, die „stoisch Zahlenkolonnen um Zahlenkolonnen zu beackern“ hätten. „Diese – nicht zuletzt wegen ihres Buchhalter-Images introvertierten Angestellten leiden oftmals unter Minderwertigkeitsgefühlen.“ An anderer Stelle spricht er von „Gurus“ usw.
Dem Leser darf es bei der Lektüre nicht darauf ankommen, eine durchgängig einheitliche Kausalität präsentiert zu bekommen: So konstatiert Horstmann einerseits, dass „Ratingagenturen meist einer Entwicklung hinterher liefen“ und andererseits: „Fast immer wird ihrem Vorschlag gefolgt, der dann an den Märkten durchaus große Wellen schlagen kann.“
Wären die Zusammenhänge so einfach, könnten Anleger allein schon mit dieser Behauptung von Horstmann reich werden: „Unter dem Strich bleibt, dass die Ratingagenturen zu positive Urteile abgeben.“ Gäbe es eine solche systematische Verzerrung und wäre sie erwiesen, könnten Finanzmarktteilnehmer durch entsprechende Transaktionen diese Tatsache für Millionengewinne nutzen. Leider urteilen die führenden Ratingagenturen in Wahrheit mal zu früh, mal zu spät, im Durchschnitt öfter richtig als falsch.
Das Buch „Markt ohne Moral“ von Susanne Schmidt hat Horstmann beeindruckt, so dass er sich explizit ihrer Terminologie bedient, z.B. mit dem Wort „Finanzialisierung“. „Der Mensch verkommt dabei zu einer Ware mit einer Entlohnung wie auf dem Sportmarkt, er ist entpersonalisiert und seiner Würde beraubt, ähnlich wie in den früheren sozialistischen Systemen Osteuropas.“ Horstmann geisselt den „Geld-Manager-Kapitalismus“, dem auch Gerhard Schröder als Bundeskanzler keinen Einhalt geboten habe, im Gegenteil. „Die modernen Lehensherren – Finanzkonzerne oder Großinvestoren – vergeben Rechte an treue Vasallen zur Ausbeutung.“
Der immer wieder von Horstmann genannte, deutsche S&P-Manager Torsten Hinrichs muss einiges einstecken. „Nicht verwunderlich ist, dass die Nummer 1, S&P, besonders hohe Gebühren verlangt, man könnte hier sogar fast von einer Art Schutzgeldern sprechen.“ Hinrichs muss erkennen, wird hartnäckig sich einmal in der Öffentlichkeit verbreitete Vorurteile halten, so macht Horstmann die „Bezahlung der Ratings durch die Emittenten und damit gegebenenfalls verbundene Beratungsprovisionen“ zu seiner liebsten Zielscheibe.
Schon längst gesetzlich mit Strafe sanktoniert und von den Ratingagenturen durchgesetzt sind Horstmanns Forderungen wie diese: „Ein wesentlicher Punkt einer künftigen Regulierung wäre das Verbot, neben dem Erstellen von Ratings auch noch hoch bezahlte Beratungsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen.“
Das deutsche Sprichwort „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ mag zwar intuitiv jedermann einleuchten, aber Horstmann bleibt beim Zirkelschluss: „Die Interessenkonflikte durch die Bezahlung durch die sie beauftragenden Emittenten sind viel zu groß, schließlich werden sie von ihnen bezahlt.“
Kaum einer, der in den Medien mit Kritik an den Ratingagenturen hervortrat, hat je für die Dienste der Ratingagenturen bezahlt. Stets wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass ein anderer zahlt. An Versuchen, ein anderes Bezahlmodell durchzusetzen, hat es nicht gefehlt. So bekannte der Milliardär Jules Kroll im „Credit Ratings Roundtable“ vom 14. Mai 2013, dass seine Agentur auf das „kleine Problem stieß, dass niemand zahlen wollte“. Inzwischen sind praktisch alle theoretisch möglichen Varianten und Alternativen durchdekliniert und verworfen.
So bleibt dem Leser, Horstmanns Kritik als Mahnung hinzunehmen, Ratings kritisch zu hinterfragen und sich selbst ein Urteil zu bilden. „Das Investor-Pay-Modell gilt aber inzwischen als gescheitert,“ sieht Horstmann ein, „denn Investoren möchten eine gesicherte Rentabilität, und die ist bei dem gut etablierten, wenn auch fragwürdigen Geschäftsmodell der großen drei Anbieter S&P, Moody’s und Fitch leichter zu versprechen.“
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