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Versorgungsanspruch versus Kartellrecht
Von Dr. Oliver Everling | 17.Januar 2008
Mit der Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der RHÖN-KLINIKUM AG im Kartellverfahren „Kreiskrankenhäuser Rhön-Grabfeld an den Standorten Bad Neustadt und Mellrichstadt“ durch den Bundesgerichtshof (BGH) ist endgültig entschieden, dass eine Übernahme der Krankenhäuser des Landkreises Rhön-Grabfeld nicht möglich ist. Am 10. März 2005 hatte das Bundeskartellamt die Übernahme der beiden Kreiskrankenhäuser durch die RHÖN-KLINIKUM AG untersagt. Dagegen hatte das Unternehmen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Beschwerde eingelegt.
Zur Beruhigung der Aktionäre sieht Vorstandsvorsitzender Wolfgang Pföhler das Unternehmen weiterhin auf dem Wachstumspfad: „Dieser Beschluss steht unserem Wachstum nicht im Wege. Zu unserem Unternehmen gehören derzeit 46 von 2.100 Kliniken in Deutschland – das entspricht einem Marktanteil von gerade einmal drei Prozent.“ Damit seien hohe Wachstumschancen offenkundig. Pföhler wörtlich: „Wir sehen auf der Landkarte viele weiße Flecken für uns, die auch aus kartellrechtlicher Sicht völlig unbedenklich sind.“
Angesichts der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen – Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung gerade im ländlichen Raum, medizinisch-technischer Fortschritt, sinkende öffentliche Mittel – ist nach Auffassung des Unternehmens ein Ausbau der standort- und sektorübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Kliniken alternativlos. Nur so ließe sich eine medizinisch umfassende und hochwertige Versorgung auch in ländlichen Regionen auf Dauer sicherstellen.
Die drastisch voranschreitende Erschöpfung traditioneller Finanzierungswege lenkt den Blick auf private Finanzierungsquellen. Diese können nur unter Einhaltung der „Spielregeln“ erschlossen werden, die sich nicht nur in Deutschland, sondern inzwischen auch in den meisten anderen Industrienationen etabliert haben: Bankinterne Ratingsysteme wie auch unabhängige Ratingagenturen sorgen mit ihren Klassifizierungen dafür, dass Fragen der Sicherheitenbestellung, der Bemessung des Kreditvolumens sowie der Zins- und Konditionengestaltung beantwortet werden können.
Jede unternehmerische Tätigkeit, ja jede Existenz ist einem existenziellen Risiko ausgesetzt. Dieses zu klassifizieren, ist Aufgabe des Ratings, das im Buch „Rating im Health-Care-Sektor“ thematisiert wird (Oliver Everling und Dieter Kampe, Herausgeber: Rating im Health-Care-Sektor, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden, http://www.gabler-verlag.de, gebundene Ausgabe, 1. Auflage, November 2007, 204 Seiten, ISBN 978-3-8349-0418-8).
Auch Institutionen des Gesundheitswesens laufen Gefahr, bei unter den Erwartungen bleibenden Erträgen ihren Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig und rechtzeitig nachkommen zu können. Insbesondere auch Krankenhäuser müssen lernen, als Unternehmen mit allen damit verbundenen Auflagen und Bedingungen zu agieren. Das Instrumentarium des Ratings gehört dabei in jedes Unternehmen wie der Tachometer in jedes Auto: Wie die Steuerung eines Fahrzeugs ist die Führung eines Unternehmens von elementaren Indikatoren des Risikos abhängig zu machen.
Pföhler stellt klar, dass gerade die RHÖN-KLINIKUM AG Wettbewerb als einen wichtigen Schlüssel zur Weiterentwicklung der Gesundheitswirtschaft sieht. Nur dank des Wettbewerbs können neue Wege in der Gesundheitsversorgung beschritten werden, die den wachsenden Anforderungen einer alternden Gesellschaft gerecht werden. Der bisher kartellrechtlich beschrittene Weg erscheint nicht zielführend.
Pföhler bekräftigte daher seine Forderung nach neuen kartellrechtlichen Grundlagen für den Krankenhausmarkt: „Jetzt ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Voraussetzungen zu schaffen, um die Menschen in allen Regionen Deutschlands auch in Zukunft bestmöglich medizinisch zu versorgen. Die Politik muss klären, inwieweit die Ziele einer hochwertigen, gleichmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung, wie sie der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch vorsieht, bei kartellrechtlichen Entscheidungen berücksichtigt werden.
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