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Wie Wähler wirklich wählen
Von Dr. Oliver Everling | 16.September 2013
„Wie Wähler wirklich wählen – Die 10 wahren Gründe für die Wahlentscheidung am 22. September“ – zu diesem Thema spricht einer der profiliertesten Meinungsforscher, Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer von TNS Emnid. Schöppner spricht auf dem Deutschen Derivatetag in Frankfurt am Main. „Ich könnte jetzt angeben, am Wahlsonntag in Bayern eine Punktlandung geschafft zu haben,“ sagt Schöppner, „aber ich möchte mir das verkneifen, da wir eigentlich keine Prognosen, sondern Diagnosen machen.“
„Das hat es noch nie gegeben, dass eine Partei so viele Wähler verloren hat. Nur noch 26 % der Wähler von der letzten Bundestagswahl würden die FDP am nächsten Sonntag wieder wählen“, berichtet Schöppner, macht aber zugleich klar, dass dies ein allgemeiner Trend ist: Den Stammwähler der Vergangenheit gibt es nicht mehr, auch lässt sich der Deutsche nicht mehr vom Pastor von der Kanzel oder von der Gewerkschaft vorschreiben, wen er zu wählen habe.
Schöppner meint einen neuen Sozial-Ruck festzustellen. „Die Union ist alles andere als eine rechte Partei geworden“, warnt Schöppner. Fast alle Unionswähler seien für Mindestlohn, Gleichstellung von Homo-Ehen usw. „Das Volk versteht das meiste falsch – aber es spürt das meiste richtig“ – so sei der Wandel vom Kompetenz- zum Spürwahlkampf zu beschreiben. Nur sei dieser Spruch von Tucholsky und schon alt.
Der Souverän sei der politisch Desinteressierte. Von diesen würde die Wahl entschieden. „Die da oben interssieren mich nicht mehr“ – mit der Konsequenz dass sich nur noch ca. 24 % als politisch interessiert verstehen. Fast 50 % der Westdeutschen glauben, dass sie alleine den Solidaritätszuschlag zahlen würden.
Schöppner zeigt Konsequenzen auf: Bilder statt Worte – „Gedankenbilder“, Politik emotionalisieren, Alltagserfahrungen einbringen, Gabrielisierung vorbeugen, großte Gefahr von Agenda Setting, Dominanz von Begriffen. Schöppner erinnert an die Landtagswahl 1998 in Niedersachsen. Schröder sei auf die geniale Idee gekommen, seinen Wählern die Idee zu präsentieren: „Ihr wollt doch wohl, dass ein Niedersachse Kanzler werde.“ Damit habe er ein sensationelles Ergebnis im Land erzielt.
Schöppner illustriert einige Erfolgsrezepte in der Politik. Wo Kompetenz versagt, gewinnt der Kümmerer bzw. Kümmerin, sagt Schöppner mit Blick auf das Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Weitere Punkte: Positionen/Argumente personifizieren, Hingehen, wo es weh tut, Bürgerinteressen vor Parteiinteressen, Parteiinterna auf ein Minimum reduzieren. „Einer von uns“, Bodenhaftigkeit, Eingeständnis von Schwächen und Fehlern sowie Herausnahme von Themen aus dem Parteienstreit – das sind weitere Erfolgsfaktoren.
Die Statistik zeige, dass über 80 % der Bürger in „diesem wohl situierten Deutschland“ sich beunruhigt fühlen über die Zukunft. Der Wähler entscheide daher für Zukunftssicherheit. Es gebe immer mehr, die sich von der Datenflut und den „Digital Natives“ überfordert fühlen. Demografie, FInanzkrise, IT/Daten und Globalisierung verändern daher die Ergebnisse der Meinungsforschung.
„Was entscheidet über die Sicherheit des Arbeitsplatzes?“ 58 % Qualifikation, 51 % Zufall und 49 % Flllexibilität, so die heutigen Antworten. „Ich hab mein Leben nicht mehr in der Hand, Verlust der ‚wenn-dann‘-Relation“, formuliert Schöppner die Befürchtungen der Deutschen. Erstmals gebe es einen Langfristpessimismus, den die Politik nicht abgreife. 71 % der Bevölkerung gehe auch davon aus, dass der Staatshaushalt in Zukunft niedriger sein müsse. 90 % können kein Konzept zur Zukunftssicherheit entdecken, sondern sehen nur Politik auf Zuruf (getriebene Politiker). Es fehle der Master-Plan.
Der Arbeitsmarkt kopple sich von der Wirtschaft ab. Der Arbeitsmarkt mache eine Seitwärtsbewegung, während sich die Wirtschaft verbessere. Der Gap zwischen guten Unternehmensergebnissen und Arbeitsplätzen müsse geschlossen werden. Schöppner blickt auf das Beispiel von Siemens, wo einerseits die gute Lage des Konzerns versichert wurde, andererseits von Löscher das größte Restrukturierungsprogramm eingeleitet wurde. Das neue Prinzip der Deutschen: „Ich wähle die ‚gute‘ Wirtschaft.“
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