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Krise bestätigt Idee der Ratingevidenz

Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008

Die derzeitige Krise hat die Schwächen der von den Ratingagenturen beim Rating von strukturierten Finanzinstrumenten verwendeten Methoden und Modelle verdeutlicht, kommentiert die Kommission der Europäischen Gemeinschaft zu ihrem Vorschlag für eine Verordnung über Ratingagenturen. „Auch die Kommunikation der Agenturen mit den Märkten und den Anlegern verlief sowohl im Hinblick auf die Merkmale und die Beschränkung des Ratings für strukturierte Finanzinstrumente als auch in Bezug auf kritische Modellannahmen nicht reibungslos“, urteilt die EU-Kommission.

Mit dem Gesetzesvorschlag der Kommission werden die Ratingagenturen verpflichtet, Ratings auf nicht selektiver Grundlage rechtzeitig bekannt zu machen. Damit sollen die Anleger in die Lage versetzt werden, zwischen Ratings für strukturierte Produkte und für herkömmliche Produkte (Ratings für Unternehmen und Staaten) zu unterscheiden, indem für strukturierte Finanzinstrumente der Rückgriff auf eine andere Ratingkategorie oder die Beibringung zusätzlicher Informationen über ihre Risikomerkmale gefordert wird. Für unaufgeforderte Ratings, deren Beweislage aufgrund der oft eingeschränkten Unterstützung durch die Emittenten unsicher ist, gelten spezielle Offenlegungspflichten.

Mit den Feststellungen und Forderungen der EU-Kommission wird unter Beweis gestellt, dass „Rating nicht gleich Rating“ ist (Everling, Oliver: Rating ist nicht gleich Rating, Evidenz untersucht und misst Treffgenauigkeit und Trennschärfe, in: Allgemeine Kredit Coface aktuell, http://www.ak-coface.de, Oktober 2004, Seite 7, oder Everling, Oliver, und Gleißner, Werner: Ratingevidenz: Die Qualität von Ratingnoten, in: Kredit & Rating Praxis, http://www.krp.ch, 30. Jahrgang, Ausgabe 4/2004, Seite 23 – 25).

Die von der EU-Kommission geforderte Unterscheidung von Ratings für strukturierte Produkte und für herkömmliche Produkte ist notwendig, da die Beweislage und Treffgenauigkeit erteilter Ratings divergiert. AAA-Ratings wurden für beiden Produktgruppen gleichermaßen erteilt. Diese Ratings wurden von den Agenturen nicht etwa mit der Absicht erteilt, mit denselben Symbolen unterschiedliche Ausfallerwartungen zu bezeichnen. Diese waren vielmehr identisch: Sowohl bei strukturierten Produkten als auch bei herkömmlichen Anleihen sollte das Symbol AAA eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit signalisieren, dass die so beurteilten Schuldtitel vollständig und rechtzeitig bedient würden. Der Unterschied lag aber in der Beweislage, da völlig verschiedenen Modelle, Kriterien und Verfahren zur Anwendung kamen.

Die Unterschiedlichkeit der Beweislage von Ratings war Gründungsgedanke der RATING EVIDENCE GmbH. Die im Februar 2004 in Frankfurt am Main gegründete Gesellschaft (http://www.rating-evidence.com/), ein Unternehmen der Everling Advisory Services, nahm sich schon damals der Herausforderung an, durch Evidenzermittlungen allen Ratingadressaten, von Anlegern bis zu Zentralbanken, Anhaltspunkte für die Vergleichbarkeit der Klassifikationen zu liefern. Dabei stützt sich die Gesellschaft auf einen Datenbestand, der über mehr als 120 Ratingagenturen und ihre Aktivitäten in 110 Staaten seit 1988 aufgebaut und durch Besuche bei Ratingagenturen weltweit erarbeitet wurde.

Wichtigste Voraussetzung einer hohen Evidenz von Ratings ist eine hinreichende Transparenz, um die Beweislage zu Ratings beurteilen zu können. „Um zu gewährleisten, dass die internen Prozesse und Verfahren hinreichend transparent sind, müssen Ratingagenturen bestimmte wichtige Informationen bekannt geben, wie Interessenkonflikte, Methoden, grundlegende Ratingannahmen und die allgemeinen Grundsätze für die Vergütung ihrer Mitarbeiter“, heißt es nun in der EU-Gesetzesbegründung. „Auch müssen sie regelmäßig Daten über historische Ausfallquoten von Ratingkategorien veröffentlichen und den zuständigen Behörden Unterlagen wie die Liste der 20 größten Kunden aufgeschlüsselt nach Umsatzerlösen übermitteln.“

Das englisch-deutsche Wörterbuch übersetzt „evidence“ als „Beweis (-mittel, -stück, -material), Beweise, Ergebnis der Beweisaufnahme; Unterlage, Beleg; (Zeugen-) Aussage, Zeugnis“. Der Fremdwörterduden definiert „Evidenz“ als „Deutlichkeit; vollständige, überwiegende Gewissheit; einleuchtende Erkenntnis“. Im theoretischen Fall des vollständigen Beweises eines erteilten Ratings wäre die Evidenz 100 %. Im umgekehrten Fall völliger Ratingwillkür fehlt jede Evidenz: Würden Ratings bekanntermaßen am Glücksrad gedreht, wäre die Evidenz 0 %. Die Evidenz ist somit ähnlich dem Gini-Koeffizienten zur Lorenzkurve oder dem Korrelationskoeffizienten nach Bravais und Pearson normiert.

Jeder Prozentsatz zwischen den Extremen 0 % und 100 % indiziert eine mehr oder weniger hohe Evidenz. Zwar gibt es Indizien dafür, dass den von einer bestimmten Ratingagentur oder durch ein spezifisches Ratingmodell erteilten Ratings höhere oder niedrigere Evidenzen beizumessen sind. Gibt es jedoch beispielsweise Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des durchgeführten Ratingverfahrens oder sind die Anwendungsvoraussetzungen eines Ratingmodells auf ein Ratingobjekt nicht erfüllt, ist eine niedrigere Evidenz anzusetzen.

Die RATING EVIDENCE GmbH war schon vor einem halben Jahrzehnt als erste und bisher einzige derartige Institution als eine Evidenzzentrale für die von Ratingagenturen erteilten Ratings gedacht, um die bereits damals erkannten Probleme der Vergleichbarkeit und Beweislage von Ratings anzugehen. Nun gibt es an der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung keinen Zweifel mehr, so dass der Gesetzgeber auf europäischer Ebene einschreitet. Erst Milliardenverluste und Bankeninsolvenzen veranlassten Bankmanager und Bankenaufseher, in dieser Hinsicht über die Bedeutung von Ratingskalen nachzudenken.

Späte Einsicht: Artikel 9 der EU-Verordnung über Ratingagenturen bestimmt – den Forderungen der RATING EVIDENCE GmbH entsprechend – allgemeine und regelmäßige Bekanntmachungen, mit denen Ratingagenturen die Öffentlichkeit über die genannten Punkte in vollem Umfang zu unterrichten haben. Im Absatz (2) des Gesetzes heißt es: „Die Ratingagenturen stellen in einem vom CESR eingerichteten zentralen Datenspeicher Informationen über ihre bisherigen Ergebnisse und früheren Ratingtätigkeiten zur Verfügung. Dieser Datenspeicher ist öffentlich zugänglich.“

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