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Der Katzen Spiel ist der Mäuse Tod

Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008

Der Katzen Spiel ist der Mäuse Tod. „Schlecht für viele, Trost für Dumme“ – so etwa lautet übersetzt ein populäres spanisches Sprichwort: „Mal de muchos, consuelo de tontos.“ Die durch die Kapitalmarkttheorie nahe gelegte Diversifikation anhand eines Markindexes führt zum starren Blick auf Indizes und Portfoliozusammensetzungen, mit denen diese abgebildet werden. Nach dem Capital Asset Pricing Model investiert ein Anleger bekanntlich dann optimal, wenn er eine Kombination aus dem Marktportefeuille und einer (vermeintlich) sicheren Anlage, wie etwa einem Depot aus AAA gerateten Wertpapieren, unterhält. Crasht der Index, tröstet man sich damit, dass es auch alle anderen erwischt.

Dieser Investmentansatz macht es dem Anleger grundsätzlich vergleichsweise bequem: Das mühevolle „Stock Picking“, also die Entscheidung darüber, welches einzelne Unternehmen und welcher einzelne Titel mehr oder weniger gute Erfolgschancen bietet, wird überflüssig. Man kauft einfach alles zusammen, was es auf dem Markt gibt, und gewichtet allenfalls einzelne Marktsegmente stärker oder schwächer, je nach Erwartung. Wer die Hochhäuser von Shanghai gesehen hat, kauft vielleicht in Asien dazu. Wer auf seinen schicken Porsche schwört, holt sich vielleicht auch die Aktie in den Bestand.

Die nachweislich von fast allen namhaften Lehrstühlen, insbesondere an angelsächsischen Universitäten gelehrten Strategien und von Kapitalanlagegesellschaften propagierten Investmentansätze haben fatale Folgen für die Weltwirtschaft: An den zentralen Schalthebeln zur Allokation der Ressource Kapital sitzen Portfoliomanager, die ihren Ehrgeiz darauf beschränken, „den Index zu schlagen“. Wie die Fondsratings maßgeblicher Ratingagenturen zeigen, gelingt dies aber seit Jahren ohnehin nur einer kleinen Minderheit in der Investmentbranche.

Noch bedenklicher ist die Entwicklung hin zu solchen Exchange Traded Funds (ETFs), die keinerlei Verantwortung mehr für die von ihnen finanzierten Unternehmen übernehmen, sondern es dem Anleger simpel ermöglichen, „den Index“ zu kaufen. Eine sinnvolle Vertretung von Investoreninteressen findet hier in vielen Fällen gar nicht mehr statt: Es werden nicht einmal mehr Stimmrechte in Hauptversammlungen wahrgenommen. Offene Indexfonds – als Alternative zu ETFs – können dagegen zu ebenso sinnlosen Zwangsverkäufen und Kursstürzen selbst bei guten Unternehmen führen, wenn Anteilseigner ihre Zertifikate an den Indexfonds zurückgeben. Mangels differenzierterer Betrachtung durch Ratings trifft es alle.

Die Konzentration auf Volatilitäten und Kalkulationen der Erwartungswerte von Renditen nach dem Paradigma der Diversifikation nach My (= Erwartungswert der Rendite) und Sigma (= Standardabweichung der Rendite) absorbiert wertvolle analytische Kapazitäten. Aufgerüstet werden müssten dagegen Ratingsysteme, mit deren Hilfe der Versuch unternommen wird, realwirtschaftliche Entwicklungen möglichst präzise zu schätzen und in Risikoklassifikationen abzubilden. Dabei kann nicht allein auf mathematisch-statistische Methoden zurückgegriffen werden, die stur Zeitreihen der Vergangenheit in die Zukunft extrapolieren. Für Produktivitätsgewinne durch Innovationen und für nachhaltig veränderte Konsumentenpräferenzen, etwa aufgrund höherer Wertungen von ethischen, ökologischen oder sozialen Aspekten, bleibt in solchen Modellen kein Platz.

Statt immer trickreichere Finanzprodukte zu erfinden, mit denen Provisionen und laufende Kosten geschickt verpackt (neudeutsch: „gewrappt“) werden können, werden sich die Produktlieferanten der Finanzdienstleister künftig stärker auf reale Wertschöpfungen konzentrieren müssen. Dies erfordert verlässliche Ratingsysteme, mit denen zum Beispiel bei kleinen und mittleren Unternehmen Erfolgschancen valide und reliabel bemessen werden können. Selbst das nobelste Spielcasino vermag letztlich niemanden zu erfreuen, wenn nicht irgendwo auch der Winzer und der Fischer ernährt werden können, die den Champagner und den Kaviar liefern.

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