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Grundlagen des Risikomanagements
Von Dr. Oliver Everling | 24.Januar 2009
Das Buch vom Vorstand der FutureValue Group AG, Dr. Werner Gleißner, „Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen“ aus dem Verlag Franz Vahlen München (www.vahlen.de, ISBN 978-3-8006-3458-3), führt in die Welt des Risikos ein. So heißt auch gleich das erste Kapitel des Buches, in dem es um grundlegende Begriffe, Nutzen des Risikomanagements, Risiko, Rating und Unternehmenswert, Entscheidungen bei Unsicherheit und Risiko und die rechtlichen Rahmenbedingungen des Risikomanagements geht – KonTraG, Prüfung des Risikomanagements durch den Wirtschaftsprüfer, Bilanzrechtsreformgesetz, Corporate Governance Kodex, Sarbanes Oxley Act, DRS 5 bzw. 15, die Risikoberichterstattung gemäß IFRS und Risikomanagementnormen.
Gleißner kommt auf die Rolle von Risikopolitik, Risikokultur und die Zusammenhänge der Unternehmensstrategie zu sprechen. Sein Hauptanliegen ist aber die Risikoanalyse, angefangen bei der Risikoidentifikation, der Beschreibung der einzelnen Risikofelder über die Risikobewertung bzw. Risikoquantifizierung bis zur Erstellung eines erweiterten Risikoinventars, von Risk-Maps und Risikoportfolios. Seinen Begriff der „Risikobewältigung“ verwendet Gleißner offenbar als Oberbegriff risikopolitischer Maßnahmen, denn anders als in anderen Titeln gliedert er nicht nach Maßnahmen der Risikovermeidung, Risikoreduzierung, Risikoumverteilung, Risikoteilung, Risikozerfällung, Risikoabgeltung, Risikobegrenzung, Risikostreuung, Risikokompensation und Risikovorsorge.
In einem weiteren Hauptkapitel zur Risikoaggregation und zum Gesamtrisikoumfang macht Gleißner an einem Fallbeispiel seine Kritik an der Risikoanalyse mit Schadensklassen, mit Höchstschadenswerten (Worst-case-Analyse) und Schadenserwartungswert deutlich. Allein durch eine Betrachtung einzelner Risiken kann die Unternehmensleitung noch nicht die eigentlich interessierende Frage beantworten, nämlich, so Gleißner: „Wie wirken sich diese identifizierten Risiken insgesamt für das Unternehmen aus, und wie groß ist insbesondere die Bestandsgefährdung?“ Gleißner stellt diesen Ansätzen Monte-Carlo-Simulationen zur Risikoaggregation, Risikofaktorenmodelle und Abweichungsanalysen, aber auch die Fundamentalgleichung zur Abschätzung des Gesamtrisikoumfangs ohne Simulation gegenüber.
Das Buch zeigt Ansatzpunkte zur Risikobewältigung für ausgewählte Risikobereiche auf (strategische Risiken, Risiken des Absatz- und Beschaffungsmarktes, finanzwirtschaftliche Risiken usw.). Gleißner bleibt nicht bei theoretischen Überlegungen oder Modellierungen, sondern zeigt auch auf, welche Anforderungen an die Organisation des Risikomanagementsystems in der Praxis zu stellen sind und wie Risiken überwacht werden können. Bausteine und Regelungen eines Risikohandbuchs kommen ebenso zur Sprache wie Stellenbeschreibungen im Risikomanagement (Risikocontroller oder Risikomanager, Risikobeauftragter, Risikoverantwortlicher, Revision und Aufsichtsrat). Die Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Risikomanagementsystems, das Projektmanagement zur Einführung eines solchen Systems sowie die IT-Systeme und Software zur Unterstützung komplettieren die Darstellung.
Im Kapitel zum „Risikomanagement, Rating und wertorientierte Unternehmensführung“ propagiert er zu Recht den Nutzen der Risikoaggregation zur Ratingprognose. Nach seiner Meinung „ist gerade der Unternehmenswert ein sinnvoller Erfolgsmaßstab eines Unternehmens, da in dieser Kennzahl zukünftig erwartete Erträge (bzw. Cashflows) und Risiken erfasst werden.
Gleißner setzt sich mit Rappaport u.a. auseinander, die den „Unternehmenswert“ – Shareholder-Value – als Erfolgsmaßstab und Steuerungsgröße für Unternehmen etablierten. Für kleine und mittlere Firmen, insbesondere Familienunternehmen, reduziert sich das Wertempfinden in vielen Fällen nicht auf einen diskontierten und risikoadjustierten Zahlungsstrom. Gleißner stellt sich daher der reinen Kapitalmarktorientierung entgegen und grenzt diese gegen Wertorientierung ab.
Die minimalisierenden Modelle US-amerikanischer Theoretiker werden der Pluralität unternehmerischer Ziele im europäischen Kulturraum nicht gerecht. Sie gehen von der Fiktion vollkommener Kapitalmärkte aus. Speziell vernachlässigen sie, dass Familienunternehmen Risikoumfang und Insolvenzwahrscheinlichkeit beschränken möchten. Eine Unternehmensplanung muss damit unter Berücksichtigung von Risiken zugleich aus Perspektive der Eigentümer (Wert) und der Gläubiger (Rating) beurteilt werden. Diese Verbindung von Wert, Rating und Risiko zu zeigen, ist ein besonders Anliegen des Buchs.
Auch für börsennotierte Unternehmen erscheint fraglich, ob diese gut beraten sind, in ihren Entscheidungen den chaotischen Unternehmensbewertungen zu folgen, die ihnen durch die Börsenkurse signalisiert werden. So fordert Gleißner gut begründet, sich am strategischen Oberziel und als Erfolgsindikator am (berechenbaren) nachhaltig geschaffenen Unternehmenswert zu orientieren, der die tatsächliche Risikosituation erfasst und nicht die oft verzerrte Risikoeinschätzung des Kapitalmarkts.
Wie dieser unter Bedingungen externer Schocks und erratischer Kursschwankungen zu bestimmen ist, bedarf weiterer Forschung. Im Buch wird die Kernidee aktueller Forschung zu tatsächlich wertorientierten Steuerungsansätzen einfach zusammengefasst: Mehr Risiko führt zu höheren potentiellen Verlusten (negativen Planabweichungen) und höheren Bedarf an teurem Eigenkapital. Sie führen zu einem schlechteren Rating und höheren Kapitalkosten, damit niedrigeren fundamentalen Werten – unabhängig von aktuellen Börsenkursschwankungen.
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