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Standards für nachhaltige Finanzmärkte

Von Dr. Oliver Everling | 24.Januar 2009

Im Buch „Standards für nachhaltige Finanzmärkte“ (ISBN 978-3-7255-5716-5, www.schulthess.com) versammelt Herausgeberin Brigitte Strebel-Ärni  von der brigitte strebel gmbh (www.strebelconsulting.ch) namhafte Experten aus der Schweiz, um über die renovationsbedürftige Finanzarchitektur nachzudenken. Das Buch baut auf der Aufsatzsammlung vom Mai 2007 mit dem Titel „Internationale Finanzmärkte zwischen Effizienz und Sicherheit“, in der schon damals die Globalisierung und Rechtsetzung diskutiert wurden. Nun stehen die Wege aus der Krise im Vordergrund.

Das Buch von Brigitte Strebel-Ärni (Hrsg.) „Standards für nachhaltige Finanzmärkte“ gibt es unter ISBN 978-3-86556-223-4 jetzt auch im Bank-Verlag Medien Köln, 2008, Broschiert, 252 Seiten, für 69 Euro.

Wer aufgrund des Titels und des grünen Umschlags Standards in ethischer, ökologischer oder sozialer Hinsicht erwartet, ist fehl am Platze. Um Nachhaltigkeit, wie sie in den Standards der auf Nachhaltigkeitsratings spezialisierten Agenturen zum Ausdruck kommt, geht es in diesem Buch nicht, auch wenn das Wort „Ökologie“ immerhin einmal auf Seite 246 vorkommt, als Beispiele für Labels aufgezählt werden (ISO 14000 und folgende sowie humanitäre und soziale Standards wie SA 8000 8).

Prof. Dr. Heinz Zimmermann befasst sich mit Risiko und Repräsentation und schreibt über Krisen des Finanzsystems. „Dass die gegenwärtige Finanzkrise durch die Probleme des amerikanischen Immobilienmarktes oder strukturelle Mängel der Hypothekenverbriefung ausgelöst wurde, sollte nicht zum Anlass genommen werden, die Bemühungen zur Stabilisierung des Finanzsystems allzu eng auf die konkreten Faktoren auszurichten“, warnt Zimmermann und illustriert seine These an einem ebenso einprägsamen wie anschaulichen Beispiel des Risses einer gehäkelten Weste.

Zimmermann zeigt auf, wie der wissenschaftliche Experte von Consultants verdrängt wurde und damit dieses Wissen nicht mehr öffentlich-zugänglich und einem wissenschaftlichen Diskurs unterworfen wurde. Seine Überlegungen sind insbesondere auch deshalb von Bedeutung, da gerade die führenden Ratingagenturen für ihre Wissensanhäufung und Anwendung ihres Wissens in der Art einer „Black Box“ oftmals kritisiert wurden. Ratingagenturen aber in „guter Gesellschaft“ mit führenden Consulting-Unternehmen, die das gleiche tun.

Fehlentwicklungen gibt es aber auch in der Wissenschaft, legt Zimmermann offen: „Die Risikomodelle wurden im Laufe der Jahre immer größer, rigoroser, umfassender, widerspruchsfreier, in formaler Hinsicht schöner – ein Bewährungstest blieb aufgrund der phantastischen Entwicklung der Märkte weitgehend erspart. Schließlich führt der Publikationsdruck“, schreibt Zimmermann, „zu einer Flut technischer Einzelergebnisse, welche den Anschein eines riesigen, für die Zwecke des Risikomanagements geeigneten Wissens vermitteln.“ Der Beitrag von Zimmermann wie auch Artikel von anderen Autoren dieses Buches ist dick bepackt mit anregungsreichen Metaphern und Denkanstößen.

Der Aufsatz von Dr. Gianni de Nicolò dreht sich um die Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration auf die Finanzstabilität und kommt zu dem Schluss, dass die gestiegene reale Synchronisierung und Fortschritte in der finanziellen Integration nicht zwangsläufig zu einer höheren Finanzstabilität geführt haben. Bundesrat Dr. Hans-Rudolf Merz befasst sich mit der Rolle der Finanzmarktpolitik als Transformer für Standard Setting.

Prof. Dr. Peter Nobel fragt, wieviel Regulierung und wieviel globale Standards im Spannungsfeld globaler Finanzmärkte versus nationaler Gesetzgebung und Aufsichtsbehörden erforderlich sind. „Die Ratingagenturen haben im Rahmen von Basel II eine noch wesentlichere Rolle zu spielen begonnen und die Aufsichtsbehörden wagten es nicht, hier eine klare Ordnung zu schaffen“, stellt Nobel die Fakten klar. „Einen außen stehenden Betrachter stimmt das verdächtig, denn die Interessenkonfliktsituation der Ratingagenturen war längst bekannt.“

Prof. Dr. Peter Leibfried setzt sich mit der Frage auseinander, inwieweit die Rechnungslegung zum Mitverursacher der Krise wurde. Prof. Dr. Dieter Pfaff und Dr. Manuela Möller führen das Thema weiter hinsichtlich der Fair-Value-Bewertung und Josef Willimann zeigt den Weg von der Buchhaltung zum Rechnungswesen auf.

Prof. Dr. Axel P. Lehmann fragt provokant: „Riskantes Risikomanagement!?“ Lehmann geht den Ansatzpunkten für ein zukunftgerichtetes Risikomanagement in der Versicherungswirtschaft nach. „Für die führenden Ratingagenturen ist zum Beispiel das Enterprise Risk Management ein wichtiger Faktor in der Bewertung von Versicherungsunternehmen. Insbesondere werden von Standard & Poor’s die Risikomanagement-Kultur, die Risiko-Kontrollprozesse, das Management von extremen Ereignissen, Risiko- und Kapitalmodelle sowie das strategische Risikomanagement als eigeständige Bewertungsdimension berücksichtigt.“ Vor diesem Hintergrund skizziert er den Ansatz bei der Zurich.

Prof. Dr. Peter Meier zeigt den Zwiespalt der Hedgefonds als Enfants Terrible oder Stabilisatoren der Finanzmärkte auf. PD Dr. Markus Will und Dr. Bettina Hoffmann fordern für gute Kommunikation „gute Standards“. Die Bedürfnisse der Investoren sprechen Dr. Doris Schönemann und Dr. Frederic J. Methlow hinsichtlich der Ansprüche institutioneller Investoren an die Nachhaltigkeit der Kapitalmärkte an, während Prof. Dr. Hans Geiger die Zusammenhänge von Vertrauen und Systemstabilität eruiert. Dr. Alfredo Gysi tritt für die Auslandsbanken als Stabilitätsfaktor des Finanzplatzes Schweiz ein.

Mit neuer Strategie zur Nachhaltigkeit: Marc Zahn sieht Stabilisierung durch Börsenfähigkeit von strukturierten Produkten, Roger Studer in grenzüberschreitenden Vereinbarungen einen Weg für mehr Transparenz und Verständlichkeit bei strukturierten Produkten und Jack Hertach sieht einen stabilisierenden Einfluss des Transaction Bankings auf das Finanzsystem. Abschließend formuliert Michael Jaeggi operationelle Standards als Instrument des Risikomanagements.

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