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Neuer Nationalismus oder digitale Weltgesellschaft
Von Dr. Oliver Everling | 7.Mai 2015
Geld regelt Beziehungen zwischen Menschen. Aus einer Reihe von Untersuchungen, berichtet Prof. Dr. Armin Nassehi, Proffessor für Soziologie von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) auf dem 9. Coface Kongress Länderrisiken in Mainz, geht hervor, dass auch die Beziehungen innerhalb von Familien durch die Dienste von zum Beispiel Versicherungen besser geregelt werden können, wenn innerhalb der Familie nicht ständig über Geld geredet werden muss.
Nassehi stellt das Thema seines Vortrags, „Neuer Nationalisus oder digitale Weltgesellschaft?“ in einen größeren Kontext. Insbesondere weist er darauf hin, dass sein Thema eigentlich auch „Neuer Nationalismus UND digitale Weltgesellschaft?“ lauten könne.
„Das Gehirn spiegelt eine analoge Welt vor“, kommt Nassehi auch auf die Hirnforschung zu sprechen. Es werde im Gehirn ein Bild von der Welt produziert. VIele Konflikte ließen sich aber gar nicht „analog“ erklären. Statt digitaler statistischer Gruppen könne man sich umgekehrt auch „analoge“ Gruppen vorstellen. Der Nationalismus sei Symptom von Anpassungsstörungen. Regionale Räumen seien in einem weltwirtschafftlichen Zusammenhang nicht kontrollierbar. Es sei fraglich, ob sich überhaupt einzelne Nationalstaaten selbst kontrollieren könnten.
„Wir verschaffen wir uns Vertrauen in einer Welt, wo der Dialog zwischen analoger und digitaler Welt außerordentlich schwierig ist?“ Nassehi gibt das Beispiel des Marienplatzes in München, nämlich wie voraussetzungsreich es heute sei, über diesen belebten Platz zu gehen. In früheren Gesellschaften seien viele der Menschen heute dort als „Feinde“ klassifiziert worden. Heute dagegen handelt es sich selbst dann um Freunde, wenn man nicht zuvor mit ihnen kommuniziert habe.
Die Technik ist eine logische Folge einer digitalisierten Gesellschaften. „Durch die Digitalisierung kommen Menschen zusammen. Vor allem kommen aber Daten zusammen“, sagt Nassehi und weist darauf hin, wie von Amerikanern ein etwas romantisches Bild von den sozialen Kontakten gezeichnet werde, die durch die Digitalisierung möglich wurden.
Der Handel unter Menschen schafft Vertrauen, sagt Nassehi. Buchstäblich könne nur durch Handeln Vertrauen geschaffen und gefestigt werde. Daher gingen Versuche fehl, durch verbale Versicherungen Vertrauen zu schaffen. Nassehi nennt dazu verschiedene Beispiele. Digitale Informationen müssten in analoge Formen gebracht werden.
„Krisen kommen vor allem durch Bilder zustande“, warnt Nassehi, „damit verschaffen sich Akteure Macht.“ Nassehi zeigt auf, wie die Digitalisierung auch zu neuen Formen des Terrorismus geführt habe, dessen Ziel es ist, Bilder in das weltweite digitale Netz einzuspeisen.
Carsten Knop, verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung und Unternehmen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nimmt Nassehi mit in die Podiumsdiskussion mit Christoph Haar, Vice President Business Development & Marketing, Schenck Process Group, Ernst-Josef Mesterom, Abteilungsdirektor Internationales Firmendkundengeschäft, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, und Dr. Kristin Shi-Kupfer, Leitern des Fachbereichs Politik, Gesellschaft, Medien am Mercator Institute for China Studies (MERICS).
„Im deutschen Mittelstand gibt es viele sogenannte Hidden Champion“, sagt Mesterom. Damit sie das bleiben, müssten sie sich auf Weltmärkten bewähren. Entsprechend gingen heute nicht mehr nur die großen Knozerne ins Ausland, sondern auch sehr viele mittelständische Unternehmen. Die Aufgabe der Sparkassenorganisation sieht Mesterom darin, diese Unternehmen dabei zu begleiten.
Haar teilt seine Erfahrungen aus China: So sei die Mitarbeiterfluktuation in China sehr hoch. Daher sei es ein besonderer Erfolg, wenn es deutschen Unternehmen gelingt, chinesische Mitarbeiter an ihr Unternehmen zu binden.
Shi-Kupfer berichtet von den Schritten der chinesischen Regierung, zunächst Google-Dienste, nun aber auch Virtual Private Networks zu blockieren und Quellcodes offenlegenzulassen. Letztere seien für viele Unternehmen wichtig, um sicher vertrauliche Daten elektronisch verfügbar zu halten. Auf die neuen Herausforderungen müssen sich Unternehmen in China einstellen. Shi-Kupfer stimmt Nassehi zu, dass Protektionismus eine Reaktion auf Kontrollverlust sei. In China sei es ganz offensichtlich, dass die Digitalisierung zu einer Machtverschiebung geführt habe.
Haar macht klar, dass die chinesische Regierung ein hohes Interesse an wirtschaftlicher Zusammenarbeit habe. Daher werde auch künftig die Kommunikation über die Grenzen hinweg in den Unternehmen sichergestellt. Aus seinen Worten lässt sich schließen, dass es bei der Schenck Process Group in dieser Hinsicht offenbar keine Probleme mit China gibt.
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