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Erste China Focus Conference in Frankfurt
Von Dr. Oliver Everling | 26.Mai 2015
„Jeden Monat werden Unternehmen in Europa von chinesischen Unternehmen gekauft“, führt Ulrich Bierbaum, General Manager der Ratingagentur Dagong Europe Credit Rating in die „1st Dagong Euroope China Focus Conference“ ein. Er ist verantwortlich für die Geschäfte der von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA registrierten Ratingagentur mit Sitz in Mailand, Italien, die inzwichen vollständig in der Hand der chinesischen Muttergesellschaft liegt. Bierbaum gibt einen Einblick in das Interesse, das sich für China allein schon anhand der Besucherzahlen der Website von Dagong Europea im Internet zeigen lässt.
Bernd Meist, Managing Director der Bank of China Frankfurt Branch, berichtet in der „Dagong Europe China Focus Conference“ über die Entwicklung der finanziellen Beziehungen zwischen Deutschland und China. Allerdings habe ihm die rasch zugenommene Regulierung der Banken schon graue haare wachsen lassen, scherzt Meist.
Die Bank of China fungiert als der erste Renminbi Clearing Hub in Europa mit RMB Produkten und RMB Dienstleistungen. Damit etabliere sich die Bank of China las Brücke zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen. Meist berichtet von Untersuchungen, nach denen viele deutsche Unternehmen die Möglichkeiten, die sich in China für sie eröffnen, noch nicht in ihre Unternehmensstrategien integriert haben.
Meist lobt die Zusammenarbeit mit seinen chinesischen Kollegen. „Oft öffnen mir diese die Augen für noch bessere Lösungen“, berichtet Meist aus der Praxis. Meist folgert daher nicht nur aus den volkswirtschaftlichen Daten, sondern auch aus seinen persönlichen Erfahrungen, dass der gegenseitige Respekt zum Nutzen beider Seiten bleiben wird. Meist heißt daher auch die chinesische Ratingagentur willkommen, die einen Beitrag zu den Beziehungen zwischen Deutschland und China leiste.
Guan Jianzhong, President von Dagong Europe sowie President und Chairman von Dagong Global, zeigt auf, wie Ratings eine Brücke für die Entwicklungen in Europa sein können. Die westlichen Theorien über Ratings seien in wichtigen Punkten falsch, daher sei eine neue Theorie benötigt. Die Finanzkrise von 2008 habe gezeigt, wie das Ratingsystem in den westlichen Staaten nicht in der Lage war, die Verantwortung zu übernehmen.
Die globalen Ratingagenturen haben das doppelte Ratingsystem übernommen. Guan zeigt auf, welche Fehler für die Krise verantwortlich waren. Eine neue Governance sei erforderlich. Russische, amerikanische und chinesische Ratingagenturen haben sich daher zusammengetan, um mit einem neuen System zu beginnen. Guan wirbt für Verständnis für die Notwendigkeit, im Rating umzudenken und mit einem neuen System zu beginnen.
Credit Rating erfordere, die Zusammenhänge zwischen Schuldnern zu verstehen. Das Ratingergebnis sei das Ergebnis der Theorie und der Beobachtungen, die in das Rating einfließen. „Wir haben daher zu den Wurzeln zu gehen“, fordert Guan. Ratingtheorie sei vielen fremd. Die „Zutaten“ seien vielen geheimnisvoll. Daher sei es nicht erstaunlich, wenn oft das Wissen fehle, Ratingentwicklungen angemessen zu beurteilen.
Die nächste Krise sei vorprogrammiert, wenn es nicht zu einem Umdenken komme. Die äußeren Phänomene der Krise seien verschwunden, aber die zugrundeliegenden Ideen seien unverändert. Man dürfe daher nicht zur Normalität übergehen, wenn nicht auch ein neues system installiert sei. Kreditbeziehungen seien eine Grundlagen menschlicher Beziehungen, von Bedeutung für die Menschheit insgesamt. Die Beudeutung eines angemessenen Ratingsystems sei daher nicht zu unterschätzen.
Studien zeigen nach Ansicht von Guan, dass die westlichen Ratingsysteme einer fundierten Theorie ermangeln. Die Ergebnisse seien in diesem Sinne daher „oberflächlich“. Wo keine fundierte Theorie vorhanden sein, könne es nicht zu einem tieferen Verständnis kommen. Einfach nur verbreitete Meinungen aufzugreifen, helfe nicht zu einem besseren Rating.
Guan greift die These an, dass die USA niemals zahlungsunfähig werden könnten. Die Länderratings seien die Obergrenzen für mögliche Ratings der Unternehmen in den jeweiligen Staaten. Die amerikanische Perspektive verletze daher den Anspruch der Objektivität. „Wir sprechen hier nicht von einer Ideologie. Länderratings dürfen nicht mit Unternehmensratings gleichzusetzen. Ausfallhäufigkeiten dürfen nicht mit Ausfallwahrscheinlichkeiten gleichgesetzt werden.“
Westliche Ratingideologie sei aber die treibende Kraft der Verbreitung von Ratings in den westlichen Ländern. Guan kommt auf das enorme Wachstum der Verschuldung in den USA in den letzten Jahrzehnten zu sprechen. Ratings würden durch die Medien kommuniziert, daher würden sie die Gedanken und Meinungen beeinflussen. Entsprechend tangieren Ratings die Kreditbeziehungen.
Guan betont, wie die von Unternehmen zukünftigen Leistungen nach entsprechenden Prämissen die Ratings beeinflussen. 2008 habe sich gezeigt, wie der Zusammenhang zwischen Krediten und Wirtschaftsleistung verloren ging. Die amerikanische Wirtschaft sei durch „virtuelle“ Kreditbeziehungen gekennzeichnet. Die Verlässlichkeit des Ratingsystems sei daher schwach und Blasenbildung unausweichlich.
Guan analysiert, dass bis 2007 ein unverhältnismäßig großer Anteil aller Kredite solchen Volkswirtschaften zuzuordnen waren, die AAA geratet wurden. Das Kreditvolumen stand aber nicht in einem angemessenen Zusamenhang zur Wirtschaftsleistung dieser Volkswirtschaften. Reichtum sei dadurch „produziert“ worden, dass Gläubiger neue Schuldner fanden. Guan prangert die schwerwiegenden Missverhältnisse an, die zwischen Verschuldung und Wirtschaftskraft besteht.
„Nach 2008 wurden die westlichen Ratingagenturen heftig kritisiert. Niemand habe aber sein Verhalten entsprechend geändert.“ Die Faktoren, die zum Zusammenbruch 2008 führten, sind nach Feststellung von Guan nach wie vor vorhanden.
Dagong habe sich daher der Entwicklung einer neuen Theorie des Ratings gewidmet. Dagong hat dazu vier Prinzipien entwickelt. Kreditbasierte Volkswirtschaften seien heute durch Widersprüche gekennzeichnet: Produktion und Kredit laufen auseinander, außerdem seien Kredite und Ratings auseinandergelaufen. Es müsse die Frage nach der Kreditkapazität gestellt werden.
Die „Seele des Systems“ sei die Profitabilität des Kreditnehmers. „Woher kommt aber diese Profitabilität?“ Guan fragt nach den Faktoren, die zur Beantwortung dieser Frage führen. Die Relation zwischen Verschuldung und Quellen der Rückzahlung sei zu analysieren. Guan meint zu sehen, dass in den westlichen Ratingsystemen die wahren Quellen der Fähigkeit von Schuldnern, ihre Kredite zurückzuzahlen, nicht erkannt werden.
„Die USA verlassen sich ganz auf den Bubble-Effekt, um Wachstum zu erreichen“, warnt Guan. Natürliches Wachstum sei so nicht zu erreichen, sondern nur astronomisch hohe Verschuldung. Die Profitabilität des Schuldners sei aber von zentraler Bedeutung. Guan spricht daher vom AAA-Rating Russlands. Alle realen Faktoren würden für Russland sprechen. „Alle amerikanische Agenturen verlassen sich dagegen auf sehr verzogenes Datenmaterial und schauen durch eine ideologische Brille auf Russland“, meint Guan und kritisiert, dass zu oft allein von der Vergangenheit auf die Zukunft von Ratings geschlossen werde. Es reiche nicht, Trends einfach fortzuschreiben.
Guan kommt auch auf Ratingsymbole zu sprechen. Diese müssten Vergleichbarkeit sicherstellen. Guan räumt ein, dass mansche Überlegungen theoretisch oder sehr komplex klingen mögen. Auch Basel stütze sich auf fehlerhafen Annahmen. „Einmal im Jahr eine Ausfallwahrscheinlichkeit zu berechnen, macht keinen Sinn“, greift Guan die Bürokraten an, die ohne tiefes theoretisches Fundament Banken die Verwendung interner Ratings vorschreiben.
Guan unterstreicht, dass zwar ständig von Ratings geredet werde, ohne sich aber mit den theoretischen Grundlagen zu befassen. „Wir sollten uns mehr Zeit nehmen, sich mit neuen Ratingideen zu befassen“, schließt Guan.
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