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Unechter Grexit möglich
Von Dr. Oliver Everling | 6.Juli 2015
Die Ratingagentur FERI EuroRating Services AG aus Bad Homburg warnte schon vor Jahren: Griechenland wird seine Schuldenlast nicht schultern können. Das Ergebnis des griechischen Referendums bedeutet nun nach Einschätzung der FERI eine Absage an die bisherige Hilfs- und Rettungspolitik. Die griechische Bevölkerung unterstützt mehrheitlich die Position ihrer Regierung, zur Lösung der Griechenland-Krise andere Wege als bisher zu finden. „Die bisherige Politik im Umgang mit der Griechenland-Krise ist damit gescheitert“, kommentiert Axel D. Angermann, Chefvolkswirt der FERI Gruppe.
Angermann zufolge werden sich die europäischen Politiker dem griechischen Wunsch nach neuen Verhandlungen aller Voraussicht nach nicht verweigern. Kurzfristig stehen eine Telefonkonferenz von EU-Kommissionspräsident Juncker mit EZB-Präsident Draghi und Eurogruppen-Chef Dijsselbloem am Montag, ein Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Holland ebenfalls am Montag und eine Diskussion der Eurogruppe am Dienstag auf dem Programm.
Echte Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Gläubiger-Institutionen müssen sich wegen des beendeten zweiten Hilfsprogramms notwendigerweise auf ein neues, drittes Hilfsprogramm beziehen. Die griechische Seite wird in diesen Verhandlungen einerseits einen klaren Schuldenschnitt fordern, andererseits die mit einem Programm verbundenen Auflagen möglichst gering halten wollen. Die Eurogruppe wird wahrscheinlich höchstens einen impliziten Schuldenschnitt anbieten und muss darauf achten, dass das Verhandlungsergebnis nicht als Nachgeben gegenüber der griechischen Regierung erscheint, weil damit fatale politische Implikationen vor allem in Spanien und Portugal verbunden sein könnten.
Wegen der sehr unterschiedlichen Positionen und des zerrütteten Vertrauens zwischen der griechischen Regierung einerseits und den Vertretern der Eurogruppe sowie des IWF andererseits erscheint eine Einigung in absehbarer Zeit als äußerst unwahrscheinlich.
Die EZB wird aller Voraussicht nach die bisher gewährten ELA-Kredite im Umfang von rund 89 Mrd. Euro zunächst weiterführen, jedoch nicht ausweiten. Die Banken in Griechenland werden deshalb wohl auch weiterhin geschlossen bleiben. Vor dem Hintergrund der fälligen Rückzahlung einer Anleihe über 3,5 Mrd. Euro im Besitz der EZB am 20. Juli gewinnt die Frage an Bedeutung, ob die EZB auch dann noch die Notversorgung des griechischen Bankensystems über ELA-Kredite weiter gewährleistet.
Ein Ende der Stützung des griechischen Bankensystems mittels ELA-Krediten hätte die schlagartige Insolvenz der griechischen Banken und damit auch des griechischen Staates zur Folge. Griechenland wäre damit von der Euro-Finanzierung abgeschnitten. Das Land könnte unter Umständen dennoch am Euro als Zahlungsmittel festhalten, wenn die ELA-Kredite nicht an die EZB zurückgezahlt werden, sondern noch vorhandene Mittel zur Rekapitalisierung des eigenen Bankensystems verwendet werden. Nach dem Vorbild Montenegros hätte Griechenland dann zwar keinen direkten Zugang zum Zentralbanksystem mehr und wäre faktisch auch nicht mehr Mitglied der Europäischen Währungsunion, würde aber am Euro als Währung festhalten (unechter Grexit).
Griechenland könnte allerdings dadurch keine Vorteile aus einer Abwertung der heimischen Währung ziehen und hätte außerdem keinerlei eigenständigen geldpolitischen Spielraum. Das Abrutschen ins wirtschaftliche Chaos könnte so zwar vorerst vermieden werden, die wirtschaftliche Gesundung wäre aber deutlich erschwert.
Die Alternative wäre die Einführung einer eigenen (Parallel-)Währung. Dies würde das faktische Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion bedeuten, wobei sich der Prozess über mehrere Wochen hinziehen würde. Realwirtschaftlich hätte dies für Griechenland kurzfristig eine dramatische Verschlechterung der Wirtschaftslage zur Folge. Mittel- bis langfristig könnte die deutliche Abwertung der griechischen Währung gegenüber dem Euro zu einer wirtschaftlichen Erholung und positiven Wachstumsraten des BIP in der Größenordnung um 3 Prozent p.a. beitragen (abhängig von der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen durch die griechische Regierung).
Beide Fälle wären für die Gläubiger mit der Einstellung sämtlicher Zahlungen des griechischen Staates verbunden. Im Ergebnis langwieriger Verhandlungen müssten die Gläubiger wahrscheinlich einen großen Teil ihrer Forderungen gegenüber Griechenland abschreiben. Daneben würden die jüngst wieder stark angestiegenen Target-Salden ebenfalls relevant – auch diese Summen wären zum größten Teil nicht einholbar.
Die Politik könnte angesichts dieser hohen Kosten versucht sein, einen Grexit zu vermeiden und insbesondere die weitere Notversorgung des griechischen Bankensystems über ELA-Kredite für die Dauer von Verhandlungen sicherzustellen. Denkbar wäre etwa, dass die bestehenden Fälligkeiten gegenüber der EZB auf den ESM übertragen werden, der sie seinerseits von Griechenland für die Dauer von Verhandlungen nicht einfordern würde. Dies würde der EZB ein Argument an die Hand geben, die ELA-Kredite weiterzuführen. Die Nichtbedienung der fälligen Anleihen im Juli und im August bliebe für Griechenland ohne ernsthafte Folgen. Vorausgesetzt wäre allerdings, dass Griechenland wenigstens die fälligen privaten Anleihen bedienen könnte, was gegenwärtig unsicher erscheint. „Die Konsequenz wäre in jedem Fall ein Zombie-Dasein Griechenlands im Euroraum und faktisch eine Verlängerung der Hängepartie um Griechenland mit ungewissem Ausgang“, so Angermann.
Für die Märkte stellt dies eine andauernde Belastung dar. In den kommenden Wochen und Monaten ist weiter mit einer erhöhten Volatilität der Marktbewegungen zu rechnen. Starke und lang andauernde Verwerfungen an den Märkten halten wir zwar für unwahrscheinlich, jedoch dürfte das Potenzial der europäischen Aktienmärkte trotz positiver Konjunktur nach oben begrenzt sein, weil die von der Griechenland-Krise ausgehende Unsicherheit dominiert. Auf den Anleihemärkten ist mit steigenden Renditen der Anleihe der südeuropäischen Länder zu rechnen, während die Renditen von Bundesanleihen der Tendenz nach eher fallen dürften. Der Euro dürfte wegen der Zweifel am Fortbestand der Währungsunion unter Druck stehen.
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