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Reformbedarf für Bankwesen und Finanzmarktordnung

Von Dr. Oliver Everling | 7.März 2009

„Wir erleben hier Staatsversagen“, sagt Frank Schäffler, MdB und Mitglied des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sollte die deutsche Finanzaufsicht auf internationales Niveau führen. Man habe damals, als sie geschaffen wurde, beabsichtigt, eine schlagkräftige Organisation zu schaffen. Da die Branche die Kosten dieser Aufsicht zu tragen hat, wurde ein Verwaltungsrat eingerichtet. Der Präsident der BaFin ist berechtigt, Bankvorstände abzusetzen oder Unterlagen zu beschlagnahmen. Da er selbst aber von einem Verwaltungsrat kontrolliert wird, in dem die Branchenvertreter ihren Platz nehmen, bewegt sich die BaFin in einem besonderen Spannungsfeld der Interessenkonflikte.

Schäffler macht die Eigendynamik deutlich, die mit der Schaffung einer neuen Bundesanstalt wie der BaFin verbunden ist. Die IKB, nahezu alle Landesbanken und nun auch Hypo Real Estate hätten ungehindert ihre Fehlinvestitionen tätigen können. In keinem Fall sei die BaFin eingeschritten. Die schwerwiegendsten Schieflagen des deutschen Bankwesens wurden sehenden Auges durch die BaFin hingenommen, deren Rolle es doch ist, Stabilität und Funktionieren des Finanzwesens sicherzustellen. Schäffler macht aus der Tatsache, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu einer deutschen Fehlkonstruktion geriet, kein Geheimnis.

Regulierung und Aufsicht habe ausgerechnet in den hoch regulierten Bereichen versagt. Der Anspruch der Politik sei es, dass keine Produkte mehr auf den Markt kommen, die nicht beaufsichtigt würden. Die Schieflagen seien aber ausgerechnet in den regulierten Bereichen zu verzeichnen gewesen. Die spanischen Banken, so Schäffler, hätten bisher keine Schwierigkeiten mit Zweckgesellschaften wie bei der IKB zu verzeichnen, da sich hier die spanische Bankenaufsicht hier eingeschaltet und die hoch spekulativen Geschäfte untersagt habe. „Es gab also Aufsichtsbehörden, die von ihren Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben“, so Schäffler.

„Dass es kein unreguliertes Produkt mehr auf der Welt geben wird, ist völliger Quatsch“, so Schäffler. Er sieht vielmehr in der Inflation des Geldwesens die tiefere Ursache der Krise, insbesondere im ungeheuren Wachstum der Geldmenge. Die Menschen würden dadurch nicht reicher, denn die Werte, die dahinter stünden, blieben real die gleichen. Es würde aber zu einer Vermögensillusion führen, die Investitionen auslöse, die sonst nicht vorgenommen worden wären.

In den USA habe man ein Art von Sozialpolitik vertreten, nach der sich jeder eine Immobilie leisten können sollte. In Amerika hafte man nur mit der Immobilie für einen Hypothekarkredit, nicht aber auch persönlich. Wenn die Immobilienpreise steigen, konnten sich Schuldner über die Immobilie hinaus sogar weiteren Luxus leisten, allein weil die Kreditrückzahlung aus dem Wertgewinn erwartet wurde. Variable Zinssätze, die schließlich angehoben wurden, führten letztlich zur Korrektur der Finanzmärkte. „Die Korrektur zum Normalen hin findet derzeit statt“, so Schäffler. Der Fischer ist nicht für die überfütterten Fische schuldig, die er im gefluteten Teich fängt, warnt er vor der einseitigen Schuldzuweisung zu den Banken.

„Wir erleben derzeit eine dramatische Entwciklung bei der Staatsverschuldung“, sagt Schäffler und liefert die relevanten Zahlen. Schon vor dem Obama-Paket sei die Neuverschuldung in den USA dramatisch angehoben worden. „Die USA gehen hier sehr, sehr schwierigen Zeiten entgegen“, warnt Schäffler. Der Finanzminister Peer Steinbrück habe es in der Hand gehabt, endlich wieder eine schwarze Null in der Neuverschuldung zu schreiben. Da diese vor der Finanzmarktkrise nicht erreicht wurde, sei die Belastung nun besonders hoch.

Schäffler streitet dafür, den Inflationsbegriff neu zu setzen, da es nicht nur um Konsumgüter gehe. Auch der Bereich der Aktien und Immobilien spiele zur Analyse der Geldpolitik eine Rolle. Vermögensgüter müssten ebenfalls betrachtet werden. Mit der Inflationsrate würden ohnehin für die meisten Menschen irrelevante Warenkörbe abgebildet. Anhand einer solchen Inflationsrate zu steuern, könne daher nicht sinnvoll sein. Schäffler spricht sich dafür aus, auch die Geldmenge zu betrachten. Nur wenn das Augenmerk auf der Geldmenge liege, könne man die Folgen ihrer drastischen Ausweitung abschätzen.

„Sparen ist nichts böses“, so Schäffler. Sparen dürfe nicht diskriminiert werde. Wer heute spart, werde dafür bestraft. Die Priorität der Politik liegt auf dem Konsum. Schäffler streitet nicht ab, dass der Konsum die Beschäftigung kurzfristig anzuheizen vermöge. Wer Fremdkapital einsetze, werde auch als Unternehmer durch die Abzugsfähigkeit der Kosten belohnt.

Mit einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von 4,7 % im Jahr 2007 seien die deutschen Banken in die Krise gegangen. „Das ist der Brandbeschleuniger in der Krise“, sagt Schäffler. Es sei daher wichtig, Anreize zu stärken, Eigenkapital zu bilden. „Diese gibt es zu wenig, da muss man weiterkommen“, sagt der Experte aus dem Finanzausschuss. Die Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns und des Eigentums müssten gestärkt werden, so seine Analyse.

Schäffler weist darauf hin, dass auch die Vergütungsmodelle in den Vorständen von den Aufsichtsratsmitgliedern der „Deutschland AG“ sowie von Gewerkschaftlern bestimmt würden, nicht aber von den Eigentümern der Gesellschaften. Schäffler ist überzeugt, dass sich auch an den Vergütungen einiges ändern würde, wenn die Aktionäre mitbestimmen könnten, indem diese z. B. in der Hauptversammlung über die Vergütungen abstimmen würden. „Das Unternehmen gehört den Aktionären und nicht mehrheitlich den paritätisch besetzten Aufsichtsräten.“

„Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man sein Geldwesen verwüsten“, habe schon Lenin gewusst, so Schäffler. Er warnt daher davor, die Bedeutung eines gut funktionierenden Geldwesens zu unterschätzen. Schäffler befürchtet, dass die Kanzlerin unsolide Haushaltspolitik unter dem Vorwand europäischer Solidarität nivellieren werde. Zu einer europäischen Wirtschaftspolitik sei der Weg dann nicht mehr weit. Die wirtschaftspolitische Eigenständigkeit werde dann aus der Hand gegeben.

Schäffler stellt sich klar gegen die derzeitige Leitlinie der Politik, das Sparen generell zu bestrafen. Die heute vom Gesetzgeber installierte Grundsicherung im Alter führe z.B. auch zur Entsolidarisierung der Familie. Angestrebt sei zwar, die Altersarmut zu verhindern. Der Effekt sei aber, dass rechtzeitig Vermögen umgeschichtet oder konsumiert werde. Der Staat sollte sich hier heraushalten, da die Abhängigkeit vom Staat für immer mehr Menschen zwangsläufig sei. Der „starke Partner“ Staat habe die allermeisten Schulden“, so Schäffler.

„Wenn schon der Aufsichtsrat einer Bank die Qualität eines Risikomanagementsystems nicht beurteilen könne, dann dürfe dies auch für Beamte gelten“, so Schäffler. Banken hätten in der Folge von Basel II eigene Risikomanagementsysteme entwickelt, um mit diesen eine niedrigere Eigenmittelunterlegung zu begründen. Wenn ein Beamte r nun diese akzeptiere, würde auf die internen Modelle noch ein staatliches Gütesiegel gesetzt. All dies schaffe eine Regulierungsillusion nach dem Motto „Stempel drauf, dann funktioniert’s“.

„Die führenden Ratingagenturen sind satt“, sagt Schäffler. Wer eine so hohe Eigenkapitalrendite habe, wie diese US-Agenturen, der könne keine Veränderung wollen. Es sei daher absehbar, dass sich die US-Agenturen gegen [Ä]nderungen der Strukturen stemmen würden. „Wir setzen alles daran, diese Strukturen aufzubrechen“, sagt Schäffler mit Blick auf die anstehende Regulierung der Ratingagenturen in Europa.

Es werde zurzeit viel über Manager in den Medien geredet, bemerkt Schäffler. „Wir haben es aber mit einem Politikversagen zu tun“, stellt der Bundestagsabgeordnete klar. Er gibt das Beispiel der Landesbanken: Mit dem Wegfall der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung hätten diese ihre existentielle Grundlage verloren, für günstige Refinanzierung zu sorgen.

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