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Behavioral Finance gibt Technischer Analyse Auftrieb

Von Dr. Oliver Everling | 11.März 2009

Technische Analyse (TA) ist als Konzept nichts Neues, sagt Dr. Gregor Bauer, Vorstandsvorsitzender des VTAD e.V. im DVFA Club. Charles Dow (1851 – 1902) stellt fest, dass sich Märkte in Trends bewegen. 1882 gründete er die Dow-Jones Company. Die Begründung der TA erfolgte durch eine Artikelserie im Wall Street Journal, erinnert Bauer. Die Dow Theorie umreißt die empirische Grundlage der TA.

Behavorial Finance (BF) liefert die psychologische Grundlage, nach der das Idealbild des rationalen Menschen aufgegeben wurde. Der Mensch verhält sich nur begrenzt rational. BF untersucht die Psychologie der Entscheidungsprozess, Informationsaufnahme, -verarbeitung und -bewertung. BF erklärt psycholgisch bedingte Irrationalitäten in der Wahrnehmung und Bewertung von Informationen. „Jede Investition ist ein Entscheidungsprozess“, unterstreicht Bauer. Daher komme es darauf an, diesen Prozess zu durchleuchten und zu verstehen.

Die wichtigsten Rationalitätsfallen liegen in Heuristiken zur Komplexitätsreduzierung (Verfügbarkeitsheuristik, selektive Wahrnehmung). Heuristiken werden aber auch verwendet, um die Urteilsfindung zu beschleunigen. Bauer zeigt auf, wie Verankerungsheuristik oder Repräsentativitätsheuristik zum Finden von Urteilen eingesetzt werden kann.

Bauer stellt die „prospect theory“ vor, die nicht aus der Kapitalmarktforschung stamme. Die Sensitivität der Bewertung nimmt mit der Entfernung vom Bezugspunkt ab. Darin liegt die Wertefunktion. Der Reflection Effect, der Dispositionseffekt und der Sunk-Cost-Effekt sind weitere Effekte, die nur psychologisch zu erklären sind. Eine Investition wird nach letzterem nicht danach beurteilt, wie gut die Zukunftsaussichten sind, sondern ob es im Gewinn oder Verlust ist. Gerade dieser Effekt ist in der gegenwärtigen Marktphase der Finanzkrise besonders interessant. Die Wertefunktion der prospect theory behauptet, dass ein Verlust stärker empfunden wird als ein Gewinn.

„Die BF hat nachgewiesen, dass Menschen nicht rational handeln“, sagt Bauer. Die Erkenntnisse der BF führen zu einer Neubewertung der (Informations-) Effizienzmarkthypothese und stellen damit bisherige Modelle wie CAPM, APT in Frage. Individuelles Verhalten wirkt sich auf die „Qualität“ der Marktpreise aus. Der Marktpreis unterliegt kognitiven Irrationalitäten der Marktteilnehmer. Worauf begründet sich dann aber der postulierte „faire Wert“? Damit werde auch die Prämisse der „Bewertungseffizienz“ hinterfragt. Die TA ist das ideale Werkzeug, um die BF für den Handel nutzbar zu machen. BF sieht Bauer als theoretisch-psychologisches Fundament der TA.

„Orientierung durch Technische Analyse – ja, bin ich sehr dafür“, sagt Michael Schubert, Leiter Asset Management Research der Landesbank Berlin AG und langjähriges Mitglied im Vorstand des DVFA e.V. „Ich will die Technische Analyse daher weiter verbreiten“, sagt er. „Der dümmste Grund eine Aktie zu kaufen ist, dass der Kurs steigt“, zitiert Schubert den Großinvestor Warren Buffett und stellt ihn gleich auch in Frage. Die Fundamentalanalyse (FA) mache Aussagen zur begründeten Selektion, aber keine Aussagen zum Timing. Es bestehe eine Tendenz zur Unternehmensbewertung. Zeitaufwand, Komplexität, Insiderprobleme, u. U. divergierende Analyseergebnisse, Meinungen und Gerüchte sind Schlagworte für die vielen Fragezeichen, die im Gegensatz zur TA an die FA zu setzen seien.

Korrelogramm und 99%-Konfidenzband der Dax-Renditen, Tagesrenditen von 10/1982 bis 12/2008 zeigen deutlich, dass kurzfristige Ausreißer zu identifizieren sind, es aber Trends gibt. Das Ziel der Analyse müsse daher sein, Aussagen über die Stärke und/oder Richtung zukünftiger Kursbewegungen zu machen. Es werden nur vergangene Kurse, Umsätze und Open Interest betrachtet. Die Prämissen: Kurse bewegen sich in Trends, Trendwechsel kündigen sich an. Schubert weist auf die nonverbale Kommunikation hin, die hier zwischen den Marktteilnehmern stattfinde.

Die Aufdeckung von Marktineffizienzen und Anomalien sowie statistisch signifikanten Korrelationen ab 1985 brachten schließlich auch die Vertreter der Random-Walk-Hypothese zum Einlenken. Schubert räumt ein, dass man in der Praxis Kombinationen aus verschiedenen Indikatoren betrachte. Stets werden mehrere Indikatoren beachtet. Anlageentscheidungen sind immer im Zusammenhang mit fundamentalen Aspekten zu treffen.

Schubert unterstreicht seine Überzeugung, dass den Informationsbeitrag einer handwerklich sauber gearbeiteten TA für sehr hoch hält und dass für ihn die Kombination mit anderen analytischen Methoden im Vordergrund steht, fundamentale und technische Methoden sich also eher ergänzen als zueinander im Widerspruch stehen.

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