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Ablenkungsmanöver „Innovative Klimafinanzierung“
Von Dr. Oliver Everling | 28.August 2024
Die Bekämpfung des Klimawandels erfordert erhebliche finanzielle Mittel. Ein zentraler Engpass bei der Energiewende ist die Verfügbarkeit von genügend Kapital, um nachhaltige Projekte voranzutreiben. Innovative Finanzierungsmodelle wie grüne Anleihen, die in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, lenken jedoch oft von der grundsätzlichen Notwendigkeit ab, die Finanzströme grundlegend umzuschichten. Hans Stegeman, Chefökonom bei der Triodos Bank, argumentiert, dass diese innovativen Ansätze eher ein Ablenkungsmanöver darstellen.
Stegeman betont, dass Klimafinanzierung verschiedene Instrumente umfasst, die darauf abzielen, die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern oder die Anpassung an neue Gegebenheiten zu verbessern. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssten sich die Finanzströme in Richtung Klimaschutz mindestens verdreifachen. „Diese ‚Finanzierungslücke‘ bezeichnet ein Missverhältnis zwischen Projekten, die finanziert werden müssen, und dem Kapital, das zu ihrer Unterstützung zur Verfügung steht“, erklärt Stegeman. Die Climate Policy Initiative schätzt, dass bis 2030 jährlich 6,2 Billionen USD und bis 2050 7,3 Billionen USD an Klimafinanzierung benötigt werden, um den Netto-Nullpunkt zu erreichen – insgesamt fast 200 Billionen USD.
Angesichts dieser enormen finanziellen Anforderungen entstehen immer mehr innovative Finanzmechanismen, um die Finanzierung des Klimaschutzes attraktiv zu gestalten. Ein Beispiel ist die zunehmende Verlagerung hin zu Mischfinanzierungen, bei denen öffentliche Mittel Anfangsverluste und Risiken abdecken, um privates Kapital zu mobilisieren. 2023 erreichte diese Form der Finanzierung einen Fünfjahreshöchststand, mit einem Anstieg der klimabezogenen Mischfinanzierung um 107 % auf 11,6 Mrd. USD. Auch der Markt für grüne Anleihen, die zur Finanzierung von Nachhaltigkeitsprojekten eingesetzt werden, wird 2024 voraussichtlich ein Emissionsvolumen von 1 Billion USD erreichen.
Stegeman warnt jedoch davor, sich von diesen Zahlen blenden zu lassen: „Obwohl diese Mechanismen das Potenzial haben, Investitionen in den Klimaschutz zu fördern, lenken sie oft von der Tatsache ab, dass gleichzeitig weiterhin große Summen in fossile Brennstoffe fließen.“ Die größten Emittenten grüner Anleihen, insbesondere Regierungen, haben ihre Ausgaben für die Subventionierung fossiler Brennstoffe gleichzeitig erhöht.
Ein weiteres Beispiel für innovative Klimafinanzierung sind die Kohlenstoffmärkte, die darauf abzielen, Emissionen zu reduzieren, indem sie den Preis für Kohlenstoffemissionen durch Emissionshandelssysteme (ETS) festlegen. Der größte dieser Märkte ist das EU-Emissionshandelssystem, das 2023 etwa 87 % des weltweiten Emissionshandelsvolumens ausmachte. „Auch hier sehen wir eine enorme Expansion“, sagt Stegeman. „Doch obwohl der Marktwert 2023 weltweit 949 Milliarden USD erreichte, bleibt die tatsächliche Wirkung auf die Reduktion von Emissionen oft hinter den Erwartungen zurück.“
Freiwillige Kohlenstoffmärkte (Voluntary Carbon Markets, VCM), die Einnahmen durch den Verkauf von Kohlenstoffgutschriften generieren, sind ebenfalls von Kontroversen um Greenwashing, Standards und Projektrentabilität geprägt. Trotz ihres Potenzials befinden sie sich laut Stegeman noch in der Anfangsphase, mit einem globalen Volumen von rund 3 Milliarden USD im Jahr 2023.
„Das eigentliche Problem liegt nicht darin, mehr Geld zu finden, sondern in der Umlenkung vorhandener Mittel“, argumentiert Stegeman. Die Tatsache, dass 2022 weltweit 7 Billionen USD an Subventionen für fossile Brennstoffe bereitgestellt wurden, verdeutlicht dies. „Es gibt eine grundlegende finanzielle Asymmetrie: Investitionen in fossile Brennstoffe bieten höhere Erträge als erneuerbare Energien, weil sie von einer historischen Unterbewertung von Ressourcen und externen Effekten profitieren.“
Stegeman fordert daher ein Umdenken im Finanzsektor: „Es geht darum, anzuerkennen, dass private Gewinne nicht auf Kosten des öffentlichen Wohls erzielt werden dürfen.“ Die Umlenkung von Kapital erfordert politische Maßnahmen, die gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und es der Finanzwelt erleichtern, die Energiewende zu unterstützen, ohne sich ausschließlich auf Finanzinnovationen zu verlassen.
Obwohl die Klimafinanzierung an Zugkraft gewinnt, sind finanzielle Innovationen alleine nicht ausreichend, um die benötigten Mittel für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu mobilisieren. „Wir brauchen eine starke Politik, die Maßnahmen wie eine globale Kohlenstoffsteuer, die Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe, verbindliche Standards für Schwellenländer und eine klare Verpflichtung der Regierungen zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen umfasst“, schließt Stegeman.
Innovative Finanzierungsmechanismen sind ein Teil der Lösung, aber ohne tiefgreifende politische und strukturelle Veränderungen bleibt ihr Nutzen begrenzt.
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