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„Alles lässt sich ändern“ – Die FDP, die deutsche Autoindustrie und der Kampf um die Zukunft der Elektromobilität
Von Dr. Oliver Everling | 10.Dezember 2024
Die deutsche Automobilindustrie steht am Scheideweg. Während die FDP mit ihrem Wahlkampfmotto „Alles lässt sich ändern“ Veränderungswillen signalisiert, zeigt die Realität der Automobilbranche, wie dringlich und tiefgreifend dieser Wandel tatsächlich sein muss. Die Lage ist ernst: Der Anteil deutscher Hersteller an den weltweiten Pkw-Zulassungen ist innerhalb von nur fünf Jahren von 21,4 % auf unter 18 % gefallen. Der globale Automobilmarkt wächst nur moderat, doch die Produktion deutscher Automobilunternehmen sinkt deutlich – ein Weckruf, den man nicht länger ignorieren kann. Über die Fakten berichtet Axel D. Angermann. Er analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen, geldpolitischen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte.
Besonders alarmierend ist die Entwicklung in China, dem wichtigsten Absatzmarkt für deutsche Hersteller. Noch vor wenigen Jahren galten deutsche Marken wie Mercedes-Benz, BMW und Audi als Statussymbole, die Reichtum und Erfolg demonstrierten. Heute hat sich das Bild gewandelt: Elektrofahrzeuge chinesischer Anbieter dominieren den Markt. Während der Absatz von Verbrennerfahrzeugen in den ersten drei Quartalen um 15 % einbrach, wuchsen die Verkäufe von reinen Elektroautos um 21 % und die von Plug-in-Hybriden sogar um fast 100 %. Das Problem der deutschen Hersteller ist offensichtlich: Sie haben das falsche Produktportfolio. Der Markt fordert Elektroautos, deutsche Konzerne liefern Verbrenner. Selbst im Hybrid-Segment hinken deutsche Marken hinterher, da die in China geforderten elektrischen Mindestreichweiten von deutschen Herstellern oft nicht erreicht werden.
Dieser Rückstand ist das Ergebnis strategischer Fehlentscheidungen und unzureichender politischer Unterstützung. Die deutsche Automobilindustrie hat zu lange auf den Verbrennungsmotor gesetzt und den Umstieg auf die Elektromobilität verschlafen. Das Problem liegt aber nicht nur bei den Herstellern. Auch die Politik hat durch unstetige Rahmenbedingungen dazu beigetragen. Ein Beispiel dafür ist das abrupte Ende der Kaufanreize für Elektroautos, das die Nachfrage vorübergehend einbrechen ließ. Besonders bei Volkswagen wird deutlich, wie politisches Kalkül wirtschaftliche Notwendigkeiten überlagert hat. Über Jahre haben hohe Kostenstrukturen den Konzern belastet, während der Transformationsprozess nur schleppend voranging.
Ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Elektromobilitätsmarkt ist die Batteriezellproduktion. Batteriezellen machen etwa 30 % der Wertschöpfung in einem Elektrofahrzeug aus. Wer langfristig wettbewerbsfähig bleiben will, muss diese Technologie selbst beherrschen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die deutsche Industrie diesen Bereich unterschätzt hat. Anstatt mit Mut und Investitionsbereitschaft in diese Schlüsseltechnologie zu gehen, wurden viele Projekte angesichts schleppender Absätze radikal gekürzt. Selbst große Akteure wie Northvolt sehen sich dadurch mit massiven Problemen konfrontiert. Das Ergebnis: Unter den zehn weltweit größten Herstellern von Batteriezellen findet sich kein einziges europäisches Unternehmen. Die Gefahr ist offensichtlich – deutsche und europäische Autobauer drohen langfristig die Kontrolle über die Wertschöpfungskette zu verlieren.
Eine Möglichkeit, diesen Trend umzukehren, könnte die Entwicklung der Feststoffbatterie bieten. Diese Technologie steckt zwar noch in den Kinderschuhen, hat aber das Potenzial, die Spielregeln auf dem Markt neu zu definieren. Deutsche Hersteller hätten die Chance, hier von Anfang an dabei zu sein und sich eine technologische Vorreiterrolle zu sichern. Doch auch das erfordert strategischen Weitblick und Investitionen, die kurzfristig zulasten der Gewinne gehen könnten. Gleichzeitig ist die Politik gefragt, die Unternehmen mit verlässlichen Rahmenbedingungen zu unterstützen. Dazu gehören koordinierte Anstrengungen beim Aufbau der Infrastruktur sowie Kaufanreize, um den Absatz neuer Technologien zu fördern.
Die Entwicklung in der Automobilindustrie ist ein Paradebeispiel für die Herausforderungen der deutschen Industriepolitik. Das Motto der FDP – „Alles lässt sich ändern“ – verdeutlicht die grundsätzliche Bereitschaft zum Wandel. Doch ob dieser Wandel gelingt, hängt nicht nur von der Politik ab, sondern auch von der Weitsicht und Entschlossenheit der Unternehmensführungen. Ohne eine enge Verzahnung von Industrie und Staat droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. Ein konstruktives Zusammenwirken könnte hingegen Impulse für eine moderne, strategische Industriepolitik liefern – und der deutschen Autoindustrie eine neue Chance im globalen Wettbewerb eröffnen.
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