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Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Bankrisikosteuerung

Von Dr. Oliver Everling | 1.Januar 2025

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In der heutigen Finanzwelt stehen Banken vor der Herausforderung, ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) in ihre Risikosteuerungsprozesse zu integrieren. Dies ist eine direkte Reaktion auf den Klimawandel und die damit verbundenen gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie auf die steigenden gesellschaftlichen Erwartungen an eine umweltfreundliche und sozial verantwortliche Unternehmensführung. Jens Döhring betont, dass „alle Unternehmen in unterschiedlicher Art und Umfang neuen ESG-Risiken ausgesetzt sind, die deren Bonität beeinflussen können.“ Diese ESG-Risiken betreffen sowohl physische als auch transitorische Umweltaspekte, soziale Risiken und Unternehmensführungsrisiken.

Physische Umweltrisiken entstehen durch direkte Auswirkungen von Klimawandel oder Umweltzerstörung auf die wirtschaftliche Aktivität von Kreditnehmern. Hierzu zählen akute Ereignisse wie Naturkatastrophen oder chronische Veränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels. Döhring erläutert, dass solche Risiken „wesentliche Konsequenzen für die Realwirtschaft und das Finanzsystem haben können.“ Transitorische Umweltrisiken hingegen resultieren aus Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch neue Gesetze oder technologische Veränderungen, die insbesondere CO2-intensive Industrien betreffen. Beispielsweise könnten Kohlekraftwerke durch regulatorische Maßnahmen wie CO2-Bepreisungen erhebliche finanzielle Einbußen erleiden.

Soziale Risiken beziehen sich auf mögliche negative Effekte auf die Umsatzentwicklung oder Kosten des Unternehmens aufgrund zum Beispiel von Menschenrechtsverletzungen oder der Missachtung des Lieferkettengesetzes. Governance-Risiken können entstehen durch Korruptionsverdächtigungen, Steuerhinterziehung oder Verstöße gegen Wettbewerbsgesetze. Döhring weist darauf hin, dass nicht nur Umwelt-, sondern auch „Governance- und Soziale-Risiken […] aus Sicht der Banken zu einer Erhöhung des Kreditrisikos (und auch des eigenen Reputationsrisikos der Banken) führen“ können.

Zur Messung und Steuerung dieser Risiken entwickeln Banken ESG-Kreditrisiko-Scorings und ESG-Reputationsrisiko-Scorings. Diese Instrumente helfen, das Bonitätsrisiko eines Unternehmens unter Berücksichtigung von ESG-Faktoren – und auch das Reputationsrisiko der Banken selbst – zu bewerten. Ein schlechtes ESG-Kreditrisiko-Scoring kann mittelfristig eine Bonitätsverschlechterung indizieren, insbesondere, wenn transitorische Umweltrisiken realisiert werden.

Banken können verschiedene Maßnahmen zur Steuerung von ESG-Risiken einsetzen. Dies umfasst beispielsweise Anpassungen der Standardrisikokosten, Überprüfungen der Engagement-Strategie mit dem Kunden und Modifikationen der Kreditverträge. Bei hohen ESG-Risiken kann es zu intensiveren Überwachungen und Dokumentationen kommen. Im Extremfall kann – theoretisch – bei einzelnen Banken auch eine Kreditkündigung erwogen werden, insbesondere bei sehr schlechten ESG-Kreditrisiko-Scorings und fehlenden Transformationsanstrengungen oder fehlendem Transformationswillen des Kunden.

Die Integration von ESG-Kriterien in die Bankrisikosteuerung ist nicht nur eine regulatorische Anforderung, sondern auch eine gesellschaftliche Erwartung. Banken, die ESG-Risiken vernachlässigen, laufen Gefahr, selbst Reputationsrisiken ausgesetzt zu sein. Döhring betont, dass „von der allgemeinen Öffentlichkeit […] erwartet [wird], dass sich nicht nur Unternehmen ESG-konform verhalten, sondern auch Banken bei der Kreditvergabe ESG-Aspekte ihrer Kunden berücksichtigen.“ Daher müssen Banken eine umfassende und transparente Auseinandersetzung mit ESG-Risiken fördern, um ihre Rolle als Transformationsbegleiter hin zu einer klimaneutralen Welt zu erfüllen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Bankrisikosteuerung eine komplexe, aber notwendige Aufgabe ist. Banken müssen sowohl physische als auch transitorische Umweltrisiken, soziale Risiken und Governance-Risiken identifizieren, messen und steuern. Durch die Entwicklung und Anwendung von ESG-Scorings können Banken fundierte Kreditentscheidungen treffen und gleichzeitig ihren Beitrag zur Förderung nachhaltiger und verantwortungsbewusster Geschäftsmodelle leisten. Dies erfordert eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der ESG-Risikosteuerungsinstrumente, um den dynamischen Veränderungen der gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

Themen: Bankenrating, Nachhaltigkeitsrating | Kommentare deaktiviert für Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Bankrisikosteuerung

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