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Bewertungsrelationen drängen zur Korrektur
Von Dr. Oliver Everling | 10.September 2019
“Marokko gehört zu den stabilsten Ländern in Afrika”, berichtet Tim Love, Investment Director und Emerging-Markets-Experte bei GAM. Er erläutert, warum die Weichen für eine Outperformance der historisch günstig bewerteten Schwellenländeraktien gestellt sind, insbesondere mit Blick auf die VARPS (Vietnam, Argentinien, Rumänien, Pakistan und Saudi-Arabien). In Afrika wird das Bevölkerungswachstum den Kontinent zu einem Schwergewicht machen, während die Bevölkerung Europas zu einer kleinen Minderheit auf der Welt gemacht wird.
“Emerging Markets haben Besonderheiten. Es kommt nicht allein darauf an, worin investiert wird, sondern auch darauf, wie man finanziert. Eine gute Investition kann durch die falsche Finanzierung ruiniert werden”, warnt Love. Auf eine Diskussion von Anlagestilen wie Value oder Growth will sich Lover nicht einlassen. Es gehe um Fehlbewerrtungen und Wachstum, das im Rahmen der Erwartung von GAM liegen muss, um in den Auswahlprozess zu kommen. Love unterstreicht die Bedeutung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Damit habe GAM seit mehr als 16 Jahre Erfahrungen. Definitv zeige sich eine Outperformance durch gute Governance – oder umgekehrt, schlechte Governance eines Unternehmens führt zu unterdurchschnittlichen Resultaten.
“Das Wissen ist nicht auf der Hauptstraße, sondern auf LinkedIn”, sagt Love bildhaft. Um Alpha zu generieren, komme es darauf an, Analysten mit Erfahrungen zu finden. Diese finden sich nicht unbedingt bei den bekannten, großen Adressen, bei denen die Hochschulabsolventen anheuern. Wenn diese die großen Häuser verlassen, bringen sie die Erfahrungen mit, um auch in Emerging Markets erfolgreich analysieren zu können.
Love verweist auf Performance-Darstellungen, wie sie von der Ratingagentur Morningstar geliefert werden. “Passive Investoren underperformen die Indizes”, zeigt Love auf, da diese Fonds gezwungen seien, dem jeweiligen Index hinterherzulaufen. Love erläutert im Detail die Mechanismen, die hier auf den Märkten zusammenwirken.
“Griechenland hat das Sozialprodukt von zwei oder drei Tagen in China”, macht Love die Gewichtungen der wirtschaftlichen Entwicklungen klar. China Chem werde im MSCI nicht reflektiert, weil die Gesellschaft nicht in Hongkong gehandelt wird. Wer also sich einfach nur mit Indices beschäftige, verpasse die Gelegenheiten, die sich bei bedeutenden anderen Unternehmen ergeben.
Love sieht die Chancen in “China China”, weniger in “Hongkong China”. Love räumt ein, dass viele sein Argument nicht verstehen würden: Aus westlicher Sicht spiele sich der chinesische Markt zu 99 % in Hongkong ab, was aber ganz offensichtlich nicht der Realität entspreche.
Die Proportionen in den Emerging Markets sprechen für gute Perspektiven für Aktien, so Love. Er holt für diese Prognose ein Argument aus den Bewertungsverhältnissen von Aktien versus Anleihen in den Emering Markets. Betrachtet man die Relation der Bewertung der Anleihen zu Aktien in Emerging Markets in 2003 und stellt diese den heutigen Relationen gegenüber. Demnach besteht ein hoher Nachholbedarf für Aktien.
Love lässt wenig Hoffnung, mit traditionellen Bewertungsmodellen den heutigen Marktverhältnissen gerecht zu werden. “Wer in CAPM investiert war, hat nur Verluste erlebt”, sagt Love. Das Modell habe nicht zu einer Outperformance führen können. “Wie müssen Aktien bewertet werden, wenn die Kosten der Kapitalaufnahme sich den Negativzinsen nähern?”
Unterstützung finden Aktien aus Emerging Markets auch durch die Allzeit-Tiefststände der Wechselkurse. Jede Aufwertung dieser Währungen würden Gewinne aus Emerging-Market-Aktien unterstützen. Die USA werden von Standard & Poor’s nur gut eine Ratingklasse besser als China beurteilt, so dass sich auch die Differenzen in den Ausfallrisiken einengen.
Russland und Brasilien sieht Love als positive Carry-Trade-Märkte. China wird ebenfalls übergewichtet, jedoch mit sorgfältiger Titelselektion. “Indien war ein Friedhof in diesem Jahr”, sagt Love, so dass sich GAM “im Versteck” gehalten habe. Nun würden sich in Indien aber Gelegenheiten ergeben, da die Bewertungen stark zurückgenommen wurden.
Ergebnis der jüngsten Bottom-up-Bewertungsanalyse ist eine Übergewichtung von Pakistan, Türkei, Kolumbien, Mexiko und Russland und eine Untergewichtung von Thailand, Griechenland, Taiwan, Qatar und Malaysia. Love nennt hier jeweils nur die höchsten und niedrigsten Fünf. “Türkei ist entweder ein gescheiterter Staat oder ein extrem guter Kauf”, sagt Love, “beziehen Sie Stellung!” Kapitalkontrollen seien das Risiko – verhaftete Journalisten usw. Love sieht die Risiken, die die Grundlagen des türkischen Staates zerstören könnten.
Die “Stans” (Turkmenistan, Kasachstan usw.) eröffnen zahlreiche Möglichkeiten auch für die Türkei. In Griechenland seien Bewertungen bereits nach oben gegangen, während in der Türkei Bewertungen noch weiter von den niedrigsten Ständen in Griechenland entfernt seien. Love glaubt daher, mit einem vergleichsweisen kleinen Risiko ein hohes Potential in der Türkei nutzen zu können.
Auch chinesische Banken hält Love für “lächerlich billig”, wenn man sich die Bewertungsverhältnisse klarmache. Es gab immer noch Bauern in China, die über kein Bankkonto verfügten. Nun reiche das Gesicht oder Iris der Augen, um Teil des Wirtschaftskreislaufes zu werden, da Identifikationen nicht mehr formale Bankkonten voraussetzen. Love macht klar, was dies für
Online-Banking gehe durch die Decke, ist Love überzeugt. Die Zahl der Konten in Indien habe sich beispielsweise vervielfacht. “Vergessen Sie die Diskussionen über Privatsphäre”, sagt Love und verweist auf die Tatsache, dass sich durch die von ihm genannten Entwicklungen Daten in bisher unbekanntem Ausmaß ansammeln.
Themen: Aktienrating, Länderrating | Kommentare deaktiviert für Bewertungsrelationen drängen zur Korrektur
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