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Chinesische Verhältnisse auch in Deutschland?

Von Dr. Oliver Everling | 2.Januar 2021

„In den Markt der mittelständischen Unternehmensfinanzierung drängen mit großer Macht neue Finanzvermittler und -dienstleister,“ berichtet Rainer Langen in seinem Beitrag zum Buch „Social Credit Rating“, „die alle den gerade stark wachsenden Markt der Online-Kredite erobern wollen. Neu gegründete FinTechs bieten besonders spezialisierte und kundenorientierte Finanzdienstleistungen an und machen damit den traditionellen Banken im Firmenkundengeschäft zunehmend Konkurrenz. Prozesseffizienz und Digitale Vernetzung sind die Schlagwörter der Zukunft. So unterschiedlich die Vertriebsfunktionen der einzelnen FinTech-Player auch sein mögen, so gleich und artverwandt sind jedoch bei allen die im Hintergrund ablaufenden digitalen Prozesse.“

Rainer Langen ist Diplom-Volkswirt und startete seine Karriere als Risikomanager und Verhandlungsführer im Firmenkundenkreditgeschäft einer deutschen Großbank. Inzwischen unterstützt er seit mehreren Jahren als Berater mittelständische Unternehmen in schwierigen Finanzierungsfragen. Er ist Autor der Fachbücher „Die Sprache der Banken“ (2007) und „Finanzierungschancen trotz Bankenkrise“ (2009) und hat schon früh auf das Erfordernis einer professionellen Kommunikation zwischen Unternehmen und Banken hingewiesen. In diesem Zusammenhang gründete Langen 2010 das Deutsche Institut für Kreditmediation (IKME) sowie als bundesweites Expertennetzwerk den Bundesverband der Kreditmediatoren e. V. (BdKM), dessen 1. Vorstand er ist. Langen ist zudem Mitherausgeber der in 2012 und 2013 erschienen Fachbücher „Finanzkommunikation – Chancen durch Kreditmediation“ und „Basel III“.

„Geheimnisumwitterte Algorithmen steuern die Kreditentscheidung. Implementiert in komplexe IT-Programme liefern diese autonome Handlungsempfehlungen: Kreditvergabe, ja oder nein. Wenn ja,“ so Langen, „in welcher Höhe, mit welcher Kondition und welcher Laufzeit. Der Kreditanalyst, so wie man ihn von klassischen Banken kennt, ist letztlich „nur“ noch für die Prozessoptimierung zuständig. Seine Aufgabe besteht zunehmend darin, automatisierte Risikosysteme zu installieren, diese zu verbessern, Sonder- und Spezialfälle mit dem Algorithmus zu trainieren und die Prozessabläufe mit den Kunden zu optimieren.“

Automatisierte, lernfähige und objektivierte Risikomodelle (Data Analytics) sind das Herzstück jeder digitalen Kreditentscheidung, zeigt Langen auf. „Über unterschiedlichste Programm-Schnittstellen werden alle relevanten Informationen aus unternehmensinternen oder externen Quellen herangezogen: aus der Buchhaltung, der Kontoführung (Digital Account Check), aus öffentlichen und privaten Registern oder Auskünften, aus Marktdaten und Branchenvergleiche, aus Nachrichten via Internet, Youtube oder sonstigen Social-Media-Kanälen. Die Zusammenfassung dieser speziellen Informationen über Vernetzung, maschinenlesbare Daten und anschließender umfassender Datenanalyse ermöglicht ein Aggregationsniveau, dass bisher manuell nicht möglich war. Ziel der Vernetzung ist es dann, über Cloud-basierte Lösungen und maschinenlesbare Datentechnik den automatisierten Austausch von Informationen zwischen mehreren, unabhängig voneinander agierenden Netzwerkpartnern zu ermöglichen.“

Öffentliche Wahrnehmung, das Internet und die Sozialen Medien bieten nach Ansicht von Langen über Vernetzung und Digitalisierung einen schier unerschöpflichen Fundus an Fakten, Meinungen und Hintergrundinformationen, die in keinem Jahresabschluss eines Unternehmens stehen. Über verschiedenste Portale oder Medien lassen sich somit Informationen zur „Sozialen Unternehmenskompetenz“ filtern. Damit ist die Grundlage für ein Sozialkreditsystem auch in Deutschland gelegt.

„Von daher liegt in der Beschäftigung mit den Erfordernissen der Digitalen Finanzkommunikation eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der unternehmerischen Konkurrenzfähigkeit. Es gilt, neue Wege zu gehen und schneller auf der Lernkurve zu sein als der Wettbewerb. Manches mag noch nach Zukunftsmusik klingen,“ so Langen, „beschränkt lediglich auf einige wenige standardisierte und unkomplizierte Sachverhalte. Aber lernfähige Algorithmen, automatisierte Prozessketten und ein vernetzter Datentransfer werden mehr und mehr völlig neue Finanzierungslösungen im Rahmen von Kooperationspartnerschaften ermöglichen – mit allen, die bereit sind, sich den neuen Realitäten der Digitalisierung zu stellen.“

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