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Corona vernebelt langfristige Gründe für Herabstufungen

Von Dr. Oliver Everling | 6.April 2021

Deutschland und die deutsche Industrie muss sich langfristig auf Herabstufungen gefasst machen, wenn nicht umgesteuert wird. Herabstufungen allerdings nicht aufgrund der Pandemie oder inhärenter Probleme der deutschen Industrie, sondern aufgrund wirtschafts- und finanzpolitischer Rahmenbedingungen, die den Standort seit Jahren weiter schwächen.

Die Industrie ist nämlich nach Ansicht von Experten wie denen der FERI Gruppe in Bad Homburg derzeit der wichtigste Stabilisator der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland: „Nach dem heftigen Einbruch der Produktion um fast 30 Prozent vor einem Jahr gelang eine schnelle Erholung, im Januar lag die Produktion noch um knapp 3 Prozent unter dem Niveau unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie. Gebremst wurde die Aufwärtsentwicklung zuletzt vor allem von fehlenden Speicherchips für die Automobilherstellung. Die deutsche Industrie profitiert vor allem von der starken Nachfrage aus ihren beiden wichtigsten außereuropäischen Absatzmärkten: Die Exporte nach China liegen inzwischen fast 10 Prozent höher als vor Ausbruch der Pandemie, die in die USA nur knapp darunter.“

Wirft man allerdings einen generellen Blick auf die Lage der Industrie, trübt sich das Bild deutlich ein: „Die Industrie befand sich nämlich vor einem Jahr bereits in einer Rezession. In den zwei Jahren vor Ausbruch der Pandemie war die Produktion um etwa 7,5 Prozent gesunken. Einen besonders hohen Anteil daran hatte die Automobilindustrie,“ warnt Axel D. Angermann, der als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte analysiert.  Der Anteil der Automobilindustire an der Produktion in diesen zwei Jahren ging um mehr als 20 Prozent zurück. Unabhängig von der Corona-Pandemie steht die Schlüsselbranche vor vier strategischen Herausforderungen:

Erstens sinkt der Anteil Deutschlands an der Gesamtproduktion der deutschen Autohersteller seit 2005 von damals noch deutlich mehr als 50 Prozent auf aktuell (2020) weniger als 30 Prozent. Dies spiegelt einerseits eine stagnierende Inlandsnachfrage und einen rückläufigen Marktanteil deutscher Hersteller an den inländischen PKW-Verkäufen wider, lässt aber auch auf eine sinkende Attraktivität des Produktionsstandorts Deutschland schließen. Das seit vielen Jahren praktisch unveränderte Unternehmenssteuerregime, aufgebrauchte Vorteile in der Entwicklung der Lohnstückkosten, hohe Energiepreise und im internationalen Vergleich bestenfalls durchschnittliche Bildungsausgaben sieht die FERI hierfür als einige Gründe.

Zweitens: „China wird in immer stärkerem Maße von einem Käufer deutscher Produkte zu einem konkurrenzfähigen Hersteller innovativer Erzeugnisse. Der neue, elektrisch betriebene BMW IX3 wird beispielsweise in China für den Weltmarkt entwickelt und gebaut. In dem Maße, in dem China mit seiner Strategie erfolgreich ist, in ausgewählten Bereichen selbst eine führende Rolle einzunehmen, geht das Absatzpotenzial von in Deutschland hergestellten Produkten sowohl in China als auch auf den globalen Drittmärkten zurück.“

Drittens werden mit der Umstellung auf den Elektroantrieb und der Entwicklung hin zu teilautonomem Fahren bisherige Stärken der deutschen Automobilindustrie, die in der Perfektionierung von Verbrennungsmotoren lagen, entwertet, rechnet die FERI aus. „Die Unternehmen sehen sich mit Tesla, aber auch mit Google und Apple neuartigen Wettbewerbern gegenüber und müssen sich selbst zum Teil neu erfinden, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können.“

„Die globale Nachfrage wird“, prognostiziert Angermann in seinem vierten Punkt, „in den kommenden Jahren weniger dynamisch wachsen als in den ersten 20 Jahren des Jahrhunderts. In den Industrieländern sind viele Märkte gesättigt, der Klimaschutz dürfte die individuelle Mobilität erheblich verteuern, und auch aus den Schwellenländern fallen die Impulse geringer aus.“

Diese Herausforderungen sind nach Ansicht der FERI in der Autoindustrie besonders deutlich ausgeprägt, betreffen aber in unterschiedlichem Maße auch andere Bereiche der deutschen Industrie. Dass die Industrie auf Dauer eine Stütze der deutschen Wirtschaftsentwicklung bleibt, ist also kein Selbstläufer, sondern setzt erhebliche Anstrengungen in den Unternehmen selbst wie auch in der Gestaltung der Rahmenbedingungen voraus – mit offenem Ausgang.

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