« | Home | »

Dekarbonisierung von Gebäuden durch CO₂-Speicherzertifikate

Von Dr. Oliver Everling | 28.August 2024

Der Gebäudesektor trägt mit rund 37% erheblich zu den weltweiten CO₂-Emissionen bei. Angesichts der ehrgeizigen Netto-Null-Ziele besteht ein dringender Bedarf an innovativen Lösungen zur Reduzierung dieser Emissionen. Eine besonders vielversprechende Methode ist der moderne Holzbau, insbesondere in Kombination mit nachhaltiger Waldbewirtschaftung. Diese Ansätze werden als Negativemissionstechnologien angesehen, da sie CO₂ nicht nur vermeiden, sondern aktiv aus der Atmosphäre entfernen. Ein neuer Akteur in diesem Bereich ist das Zürcher PropTech Startup Timber Finance, das erstmals eine anerkannte Methodologie entwickelt hat, mit der Bauherren und Immobilien-Investoren die Klimaleistung ihrer Holzbauprojekte durch CO₂-Zertifikate monetarisieren können. Unterstützt wird diese Innovation unter anderem durch den Migros-Pionierfonds.

Während viele Industrien bereits von Einnahmen aus dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten profitieren, gibt es nun auch für die Immobilienwirtschaft ein neues Instrument zur Förderung des Holzbaus. „Seit 2022 ist der Holzbau von internationalen Organisationen wie die UNFCCC oder der EU wie auch in der Schweiz als CO₂-Speicherlösung anerkannt“, heißt es in dem Bericht. Dies bedeutet, dass CO₂ durch Wälder der Atmosphäre entzogen und dauerhaft in den Tragkonstruktionen von Holzbauten gespeichert werden kann, sofern kein Zerfall durch Käfer, Sturm oder Feuer eintritt. Darüber hinaus ersetzt Konstruktionsholz emissionsintensive Materialien wie Stahl oder Beton und kann daher doppelt zur Dekarbonisierung beitragen.

Die Schweiz ist bereits als weltweit führendes Land im Ingenieurholzbau bekannt und setzt diese Tradition fort, indem sie die internationale Methodologie auf nationale Verhältnisse anpasst. Timber Finance hat kürzlich die Pilotphase gestartet, bei der rund 20 innovative Holzbauprojekte teilnehmen können, um durch CO₂-Speicherzertifikate zusätzlichen Wert zu schaffen. Auch Schweizer Forstreviere beteiligen sich an der Pilotphase und erhalten für nachhaltige Waldbewirtschaftung Vergütungen aus den Zertifikatserlösen. „Bauherren und Waldbewirtschafter sind eingeladen, sich mit Holzbauprojekten bei Timber Finance zu melden,“ wird in dem Bericht hervorgehoben. Eine Ausweitung auf internationale Märkte ist für 2025 geplant.

Frank Vasek, Verantwortlicher für Carbon Solutions bei Timber Finance, betont die Bedeutung dieser Innovation: „Wir haben es geschafft, ein Instrument zu entwickeln, das zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors beiträgt und durch die Monetarisierung der Klimaleistung neue Werte im Bausektor schafft.“ Die CO₂-Zertifikate können entweder auf den CO₂-Märkten gehandelt (Offsetting) oder von institutionellen Bauherren an der eigenen CO₂-Bilanz auf dem Weg zu Netto Null angerechnet werden (Insetting). Diese Flexibilität macht die Zertifikate besonders attraktiv für Investoren und Bauherren, die sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Ziele verfolgen.

Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Strategie soll das Projekt Pünt der Siedlungsgenossenschaft Eigengrund in Egg sein, im Kanton Zürich. Der Ersatzneubau mit einer Hauptnutzfläche von 7’050 m² verwendet regionales und zertifiziertes Holz und speichert so 1.462 Tonnen CO₂ in der Holztragkonstruktion. Zusätzlich werden durch den Ersatz emissionsintensiver Materialien weitere 508 Tonnen CO₂-Emissionen vermieden. Dieses Projekt zeigt eindrucksvoll, wie klimafreundliches Bauen wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden kann.

Neben Bauherren spielen auch Forstreviere eine zentrale Rolle in der Dekarbonisierungsstrategie durch Holzbau. Im Rahmen des Pilotprojekts beteiligen sich Forstreviere aus der ganzen Schweiz an der klimaoptimierten Bewirtschaftung von 15.000 Hektar Waldflächen. „Ziel ist es, die CO₂-Aufnahme zu steigern sowie die Ökosystemleistungen der Wälder zu entschädigen,“ heißt es in dem Bericht. Durch eine gezielte Waldbewirtschaftung kann das Holzerntepotenzial optimal genutzt und das darin gespeicherte CO₂ langfristig gebunden werden, was einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Die Einführung von CO₂-Speicherzertifikaten durch Timber Finance stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Bauwirtschaft dar. Durch die Verbindung von Holzbau und nachhaltiger Waldbewirtschaftung entsteht ein neuer Markt, der sowohl ökologisch als auch ökonomisch attraktiv ist. Dies könnte nicht nur die Dekarbonisierung des Gebäudesektors vorantreiben, sondern auch als Modell für andere Länder dienen, die ähnliche Wege zur Erreichung ihrer Klimaziele suchen.

Themen: Immobilienrating, Nachhaltigkeitsrating | Kommentare deaktiviert für Dekarbonisierung von Gebäuden durch CO₂-Speicherzertifikate

Kommentare geschlossen.