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Deutschlands Wirtschaft ist Mittelstand

Von Dr. Oliver Everling | 23.Mai 2008

Es gibt gute Gründe, den Begriff „Mittelstand“ zu vermeiden und stattdessen besser von „der Wirtschaft“ zu reden, sagt Prof. Dr. Peter Heimann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau auf dem Wirtschaftsforum „Die Zukunft gestalten“ der Oskar-Patzelt-Stiftung in Halle (Saale). Wenn in den alten Bundesländern 97 % aller Unternehmen weniger als 50 Beschäftigte umfassen und in den neuen Bundesländern sogar 99 %, dann gebe es vielleicht ein paar „Nicht-Mittelständler“. Die Mittelständler seien jedenfalls so gesehen die Wirtschaft.

Es stimmt etwas „ganz Grundstürzendes in unserem Lande nicht mehr“, sagt Heimann. In Deutschland sei von einer übermäßigen Staatsausgabenquote von nahe 60 % auf das Nettosozialprodukt zu sprechen, von einem grotesk verunstalteten, intransparenten, ungerechten und leistungsfeindlichen Steuersystem, von einem bürokratischen Moloch der Umweltgesetzgebung mit Luft- Wasser-, Lärm-, Gefahrstoffgesetzen, -verordnungen und -erlassen, von einer Vielzahl von zu bestellenden Beauftragten bis hin zum Datenschutzbeauftragten und, so Heimann, „von einem Arbeitsrecht, dass über ein halbes Jahrhundert von Richtern mit dem Ehrgeiz entwickelt wurde, jede, aber auch jede Rückwirkung auf volkswirtschaftliche Effizienz tapfer zu ignorieren und bisweilen aus Überzeugung zu unterminimieren.“

Mittelstandspolitik werde in Deutschland als „Nachteilsausgleich“ betrieben. Der Mittelstand habe Nachteile gegenüber großen Unternehmen, weil diese großen über spezialisierte Stäbe verfügen, z. B. Subventionsfachleute, um aus der Staatskasse möglichst viel herauszuholen, Steuerexperten, um aus Intransparenz eine Minimierung der Steuerlast abzuleiten, Umweltabteilungen, um nicht ständig mit einem Fuß im Gefängnis zu stehen, und Personalabteilungen, um alle Löcher aufzuspüren, die die Richter noch nicht gestopft haben.

Der IHK-Hauptgeschäftsführer nimmt die öffentlich bestellten „Berater“ aufs Korn: Mittelstandspolitik heiße dann konkret, dass die Europäische Union, der Bund, die Länder, die Landkreise und Kommunen Berater einstellen oder beauftragen, die den geplagten Mittelständlern helfen sollten. Das Selbstbewusstsein dieser öffentlichen Berater sei grenzenlos. „In jeder Lebenslage wissen sie Rat, fröhlich verkünden sie, wie man ein Unternehmen führt, welche die meist gemachten Fehler sind, was zukunftsfähige Produkte sind, wo aussichtsreiche Märkte erobert werden können, dass natürlich nur Forschung und Entwicklung auf Dauer hilft und welcher Professor dann mit Sicherheit eine gute Idee hat.“

Der neueste Höhepunkt „angemaßten Wissens“ – so zitiert Heimann F. A. v. Hayek – sei, dass sich Kommunen oder Ministerien als „Dienstleistungsunternehmen“ bezeichnen und damit dem Mittelständler, der Wirtschaft vorgaukeln, gleichsam „auf Augenhöhe“ der natürlichste Partner am Markt zu sein. Ein neues Etikett sei natürlich schon gefunden: Der „aktivierende Staat“.

In der Reihenfolge der Politikbeglückungen nennt der Heimann ein Beispiel aus dem Bereich der IHKs: Regionalpolitikberater, Energieberater, Umweltberater, Technologieberater, Existenzgründerberater, Außenwirtschaftsberater, IT-Berater, Euro-Berater, Ausbildungsberater, – coaches, -akquisiteure, Ego-Piloten, Clustermanager usw.

„Der Staat schafft die Arbeitsplätze“ – so die verbreitete Volksmeinung. Die beste Wirtschaftspolitik sei aber eine marktwirtschaftliche Politik und eine Gesellschaftspolitik, die die „bürgerliche Zivilgesellschaft“ – Zitat Gerhard Schröder – als mutmachende, Zukunft gewinnende Vision wirklich will, die Freude macht, so Heimann.

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