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Eigen- statt Kundeninteresse

Von Dr. Oliver Everling | 3.Juni 2008

In seinem Beitrag „Nichts dazu gelernt“ beschäftigt sich Carsten Lootze aus der Redaktion von „Euro am Sonntag“ aus dem Axel Springer Finanzen Verlag GmbH in München mit den Lehren, die die führenden Ratingagenturen aus ihrer Rolle in der Kreditkrise gezogen haben. „Eigen- statt Kundeninteresse steht offenbar im Mittelpunkt der bisherigen [Ä]nderungen“, schreibt Lootze. Schließlich erzeugen neue Komitees und Beiräte bei den Marktführern kaum zusätzliche Kosten, da sie ohnehin Hunderte von Analysten und Beratern beschäftigen. Anders bei kleinen Wettbewerbern: Sie können sich in der Regel keine zusätzlichen Mitarbeiter leisten. Bereits jetzt kontrollieren die drei Platzhirsche fast den gesamten Markt.

Statt mit Reformen sorgen die Bonitätswächter nach Recherchen von Lootze mit neuen Skandalen für Aufsehen. Moody’s hat wegen eines Computerfehlers Anleihen auf Indizes für Kreditderivate zu gut bewertet. Internen Unterlagen zufolge haben leitende Mitarbeiter diesen Fehler bereits Anfang 2007 entdeckt. Doch statt die Noten der betroffenen Wertpapiere herabzustufen, weichte das Unternehmen die Bewertungsregeln auf und verschwieg die Panne, berichtet „Euro am Sonntag“.

Zudem sollen S&P, Moody’s und Fitch Analysten auf Wunsch ihrer Kunden ausgetauscht haben, heißt es im Artikel von Lootze. Offenbar waren die Kunden – Banken und andere Emittenten von Wertpapieren – unzufrieden damit gewesen, wie die Analysten ihre Anleihen und Derivate bewertet hatten. Doch das ist schlecht für das Geschäft, denn diese Emittenten sind die wichtigsten Auftraggeber der Ratingagenturen, so Lootze. Moody’s und Fitch bestreiten die Vorwürfe. „Wir tauschen Analysten nicht aus, weil Emittenten darum bitten“, sagt Moody’s-Sprecher Anthony Mirenda.

Eine gewisse Narrenfreiheit genießen die Ratingagenturen wegen ihrer Marktmacht. Reiner Back: „Die meisten Marktteilnehmer sind auf Ratings angewiesen.“ So steht in den Anlagerichtlinien vieler institutioneller Investoren, dass sie nur Papiere mit bestimmten Ratings kaufen dürfen. Zwar gibt es auch andere Maßzahlen für die Schuldnerqualitäten von Emittenten, zum Beispiel Credit Spreads (siehe Investor-Info). Diese gelten aber nur als kurzfristige Stimmungsmesser. Daher kommen die Initiatoren von Anleihen und Kreditderivaten nicht umhin, ihre Papiere mit Bonitätsnoten zu versehen.

Das könnten sie theoretisch auch selbst machen – allerdings fehlt es den meisten Instituten dafür an Zeit, Geld und Personal. „Ohne Prüfstempel von Moody’s, S&P und Fitch können sie ihre Produkte daher nicht verkaufen“, schreibt Lootze, und zitiert die Finanzprofessorin Christina Bannier von der Frankfurt School of Finance & Management: „Diese enorme Macht ist verantwortlich dafür, dass die Ratingagenturen keinen großen Reformeifer zeigen“, sagt Professorin Bannier.

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