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Empirische Kapitalmarktforschung zeigt fehlende Eignung des CAPM für die Unternehmensbewertung – aber Relevanz des Ratings
Von Dr. Oliver Everling | 18.August 2014
Mit der Studie – „Kapitalmarktorientierte Unternehmensbewertung: Erkenntnisse der empirischen Kapitalmarktforschung“ (Corp. Finance 4/2014) – hat Dr. Werner Gleißner basierend auf einer Vielzahl aktueller empirischer Untersuchungen den aktuellen Stand der Kapitalmarktforschung zusammengefasst.
Die „Anomalien“ eines unvollkommenen Kapitalmarktes stellen eine „kapitalmarktorientierte Bewertung“ in Frage und führen zur Empfehlung, den Unternehmenswert ausgehend von den „Ertragsrisiken“ abzuleiten, d.h. ohne Kapitalmarktdaten über das Bewertungsobjekt, aber unter Beachtung des Ratings, so Gleißner.
Spätestens seit den 1980er Jahren wurden durch die empirische Kapitalmarktforschung zunehmend durch das CAPM nicht erklärbare Einflüsse auf die Rendite von Aktien, sogenannte „Anomalien“, aufgedeckt. So zeigte die Untersuchung von Banz (1981) den „Size Effect“ und Basu (1977) stellte fest, dass Aktien mit niedrigem Bewertungsniveau (niedrigem KGV) überdurchschnittlich hohe Renditen erwarten lassen, die durch das CAPM nicht erklärt werden können.
Die empirischen Resultate der letzten rund 25 Jahre zeigen, dass der Beta-Faktor einen geringen oder vielleicht gar keinen Beitrag zur Erklärung von Aktienrenditen leistet, aber eine Vielzahl anderer Einflüsse empirisch belegt sind. Das Drei-Faktoren-Modell (Fama/French, 1993), das Vier-Faktoren-Modell (Carhart, 1997) und das „fundamentale“ Q-Theorie-Modell von Chen, Novy-Marx und Zhang (2011) verdeutlichen sich in praktisch allen Untersuchungen leistungsfähiger als das CAPM. Interessant ist, dass recht simple (und in der Praxis übliche) Kennzahlen, wie das EBITDA-Multiple, einen recht hohen Erklärungsbeitrag bei den Aktienrenditen bieten, möglicherweise einfach deshalb, begründet Gleißner, weil sie eine korrekturbedürftige Über- oder Unterbewertung einer Aktie auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt operationalisieren.
Die Ergebnisse der Kapitalmarktforschung der letzten Jahre zeigen insgesamt, weist Gleißner nach, dass mit dem CAPM Aktienrenditen nicht erklärt werden können und auch andere Modelle (z.B. von Fama/French) nur begrenzt tauglich sind. Jüngere Studien deuten sogar an, dass Unternehmen mit geringem Risiko und gutem Rating überdurchschnittliche Aktienrenditen erzielen.
Auch wenn die Bedeutung des Ratings bekannt wird, findet die Insolvenzwahrscheinlichkeit dank Unternehmensbewertungsgutachten oft keine explizite Berücksichtigung. Daher wundert es nicht, dass auch an den Kapitalmärkten eine „Distress-Anomalie“ zu verzeichnen ist. Unternehmen mit „schwachem“ Rating (hoher Insolvenzwahrscheinlichkeit) sind tendenziell „überbewertet“ und zeigen eine geringere Rendite, als z.B. vom CAPM oder dem Modell von Fama und French (1993) prognostiziert. Eine tendenziell niedrigere Bewertung (höhere Rendite) kleiner im Vergleich zu großen Unternehmen, die „Size-Premium“, die in manchen Ländern festzustellen ist, kann man z.B. erklären, wenn man deren Rating (Insolvenzwahrscheinlichkeit) und Ertragsrisiken vergleicht.
„Viele kleinere mittelständische Unternehmen haben höhere Ertragsrisiken und ein schlechteres Rating (das selbst unter anderem vom Ertragsrisiko abhängt) als große Konzerne“, schreibt Gleißner. „Ursächlich hierfür sind z.B. größere Abhängigkeiten von einzelnen Projekten, Kunden und Schlüsselpersonen, eine geringere internationale Diversifikation und größere Schwierigkeiten, benötigtes Eigenkapital (z.B. über die Börse) aufzunehmen.“
Die durch das Rating ausgedrückte Insolvenzwahrscheinlichkeit wirkt wie eine „negative Wachstumsrate“ auf den Unternehmenswert. Höhere (nicht diversifizierte) Ertragsschwankungen (Ertragsrisiko) führen zu einem höheren risikogerechten Diskontierungszinssatz. Mittelständische Unternehmen mit vergleichsweise schwachem Rating und hohem Ertragsrisiko „verdienen“ damit tatsächlich einen höheren Diskontierungszinssatz – was man als „Size Premium“ interpretieren kann. Entscheidend ist allerdings, dass eine pauschale Berücksichtigung eines solchen Zuschlags auf den Diskontierungszinssatz – und damit eine pauschale Reduzierung des Unternehmenswerts – nicht angemessen ist. Sie ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Rating und (aggregiertem) Ertragsrisiko festzulegen, macht Gleißner klar.
Zu begrüßen ist daher, dass der neue österreichische Unternehmensbewertungsstand KFS BW 1 (2014) auf die Notwendigkeit verweist, Rating und Insolvenzrisiken bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen.
Themen: Aktienrating, Unternehmensrating | Kommentare deaktiviert für Empirische Kapitalmarktforschung zeigt fehlende Eignung des CAPM für die Unternehmensbewertung – aber Relevanz des Ratings
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