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Ende naiver Markowitz-Diversifikation

Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008

Gleich in welcher Assetklasse sie investiert waren: Kapitalanleger sind die großen Verlierer des Jahres 2008. Kaum eine wie auch immer gewählte Zusammensetzung aus Aktien, Anleihen oder Immobilien konnte den Sparer vor Verlusten bewahren. Die Streuung nach Branchen funktionierte ebenso wenig wie die nach Regionen und Ländern, die Streuung von alternativen Investments bis Gold brachte ebenso im Durchschnitt Verluste. Jede Indexorientierung und Streuung über mehrere Börsenplätze führte nur dazu, an allen Kursstürzen teilzunehmen.

Wenn Marktteilnehmer gezwungen sind, sich in kürzester Zeit Zentralbankgeld zu beschaffen, zählt nur noch die Liquiditätseigenschaft von Vermögensgegenständen. Im Panikverkauf wird jeder Preis akzeptiert, so lange durch den Verkaufserlös noch dringend benötigte Liquidität zufließt. Als Bestand an liquiden Mitteln, als Eigenschaft der Liquidierbarkeit von Vermögensgegenständen, als Liquiditätsgrad wie auch als Insolvenztatbestand: In jedem Fall wurde die Liquidität zur wichtigsten Erklärungsvariablen des Marktgeschehens – weit ab vom Betafaktor des Capital Asset Pricing Models und vom Modell der Portfolio Selection des Nobelpreisträgers Harry Markowitz.

Die realitätsfernen Prämissen der Portfoliotheorie werden täglich gelehrt und waren hinlänglich bekannt: Jedem war bewusst, dass Kapitalanlagen nicht beliebig teilbar sind, Leerverkäufe nicht beliebig vorgenommen werden können, nicht alle Marktteilnehmer stets vollständige Transparenz über alle weltweit angebotenen Finanztitel haben und diese rational nach risikoaverser Nutzenfunktion beurteilen. Niemandem ist verborgen geblieben, dass Transaktionen und die Verwaltung von Wertpapierportfeuilles mit Mühen und Kosten verbunden ist. Selbst der Chef der Post musste schließlich feststellen, dass eine wichtige Prämisse von Markowitz, nämlich die Abwesenheit von Steuern, in der Realität nicht erfüllt ist.

Jahrzehntelang wurde an Problemen wie beispielsweise der Markowitz-Prämisse des Zwei-Zeitpunkt-Modelles buchstäblich „herumgedoktort“, eine schier endlose Menge an wissenschaftlichen Arbeiten mit quantitativen Modellen an Stiftungslehrstühlen der vermeintlich von derlei Forschung profitierenden Banken produziert. Der Wissenschaft ist es nun nicht gelungen, durch Integration verschiedener Theorien wie der Spieltheorie oder Behavioral Finance rechtzeitig einen theoretisch fundierten Vorschlag beizutragen, die Krise abzuwenden oder auch nur zu überwinden. Von der Portfoliotheorie bleibt als Lehrsatz für die Praxis nicht viel mehr als die Empfehlung, „nicht alle Eier in einen Korb zu legen“. Wer jetzt noch mit dem My-Sigma-Kriterium argumentiert und nicht auch Ratings als Funktionsparameter der Kapitalmärkte einbezieht, hat aus der Finanzkrise nichts gelernt.

Der Blick dürfte sich künftig daher weg von immer abstrakteren quantitativen Modellen, die aus Kursdaten der Vergangenheit Volatilitäts- und Renditeschätzungen für die Zukunft abzuleiten versuchen, hin zu Ansätzen wenden, die sich mit der Abbildung der Realwirtschaft in der Finanzwirtschaft befassen. Dabei dürften bescheidener daher kommende Versuche mit Ratings, in der Art einfacher Schulnoten schlicht höhere von niedrigeren Risiken zu unterscheiden, mehr Akzeptanz gewinnen.

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