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Erkenntnisse aus dem TRV Risk Monitor der ESMA

Von Dr. Oliver Everling | 29.August 2024

Die Finanzmärkte im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zeigten im ersten Halbjahr 2024 trotz erheblicher geopolitischer Risiken und Unsicherheiten über die erwartete Lockerung der Geldpolitik eine bemerkenswerte Resilienz. Die Risiken bleiben jedoch insgesamt auf hohem oder sehr hohem Niveau. Im ersten Halbjahr 2024 deuteten weniger volatile Märkte und eine Rückkehr zu renditesuchendem Verhalten in risikoreicheren Marktsegmenten auf eine allgemeine Markterwartung einer „sanften Landung“ hin. Der kurzfristige Rückgang der Aktienbewertungen Anfang August und die Marktvolatilität rund um die Parlamentswahlen in Europa und Frankreich im Juni zeigen jedoch, dass die Märkte sehr sensibel auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren, einschließlich Änderungen der Zinserwartungen, einer Verschlechterung des Kreditrisikos und politischen sowie wahlbezogenen Entwicklungen. Es besteht weiterhin ein hohes Risiko für Korrekturen in einem Kontext fragiler Marktliquidität, sowohl im Aktienmarkt als auch in anderen Märkten, und anhaltender Bedenken hinsichtlich der Immobilienengagements.

Zu den wichtigsten Risikotreibern gehören unter anderem das „höhere für länger“-Zinsumfeld, das die Finanzstabilität und die Ergebnisse für Anleger beeinflusst. Selbst bei erwarteten Zinssenkungen in naher Zukunft bleiben die Refinanzierungskosten deutlich höher als vor einigen Jahren und belasten insbesondere Unternehmen, deren Schulden ab 2024 fällig werden. Kreditratings verzeichnen zunehmend Herabstufungen. Politische und periphere Risiken bleiben ebenfalls signifikant. Die Konvergenz externer Risiken dämpft weiterhin das wirtschaftliche und marktliche Umfeld, und die Marktsensibilität gegenüber politischen Entwicklungen scheint zuzunehmen. Da Unsicherheit und fragile Liquidität die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems einschränken, ist zu erwarten, dass externe Schocks, einschließlich internationaler und innenpolitischer Ereignisse, zu hoher Preisvolatilität führen. Cyber- und operationelle Zwischenfälle haben bisher keine systemischen Auswirkungen gehabt, aber der jüngste Ausfall von CrowdStrike unterstrich die Verwundbarkeit des Finanzsystems und anderer Teile der Wirtschaft aufgrund der Abhängigkeit von Informationstechnologie.

Die Bewertungen von Gewerbe- und Wohnimmobilien sind weiterhin von den hohen Zinssätzen betroffen. Dies beeinflusst die Finanzmärkte und Investoren durch niedrigere Aktien- und Schuldenbewertungen von Immobilienunternehmen, Herabstufungen von Ratings, sinkende Immobilienfondsbewertungen und erhöhte Liquiditätsrisiken. Derivate- und Repo-Engagements sind begrenzt, aber konzentriert. Ein weiteres Risiko ist Greenwashing. Greenwashing und damit verbundene Fehlpraktiken gefährden das Vertrauen der Investoren und die Glaubwürdigkeit der grünen Finanzen, was die Fähigkeit des Finanzsystems beeinträchtigen kann, den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren. Auch von sozialen Medien getriebene Investitionen stellen ein Risiko dar. Anleger, insbesondere weniger erfahrene mit begrenztem Wissen oder Ressourcen, laufen Gefahr, durch soziale Medien falsche oder irreführende Informationen zu erhalten. Da finanzbezogene Beiträge zunehmen, besteht das Risiko, dass Anleger, die die Zuverlässigkeit und Qualität der Informationen nicht überprüfen, Verluste erleiden.

Die europäischen Aktienmärkte verzeichneten im ersten Halbjahr 2024 eine starke Wertentwicklung, begleitet von niedriger Volatilität. Dies deutet auf eine positive Marktstimmung hin, doch könnte die unerwartet niedrige Volatilität auch übermäßige Risikobereitschaft fördern und zu einer Kompression der Risikoprämien beitragen. Die Volatilität stieg im Juni an, möglicherweise im Zusammenhang mit politischer Unsicherheit rund um die Wahlen in der EU. Trotz eines Rückgangs der Anleiherenditen Ende 2023 erholten sich diese Anfang 2024, was auf eine erhebliche Überprüfung der bisherigen Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Zinsverlaufs zurückzuführen ist. Während die Märkte allgemein eine sanfte Landung und eine bevorstehende geldpolitische Lockerung einpreisen, bleibt die Unsicherheit über die Geschwindigkeit und das Ausmaß möglicher Zinssenkungen ein wichtiger Treiber für die Marktvolatilität. In den Kreditmärkten zeigte sich ein anhaltender Rückgang der Kreditqualität, insbesondere bei nicht-finanziellen Unternehmen, was auf ein zunehmend negatives Ratings-Drittel für diese Firmen hinweist.

Die Aussichten auf mögliche politische Unsicherheiten und ihre Auswirkungen auf die Märkte sind auch in naher Zukunft ein bedeutender Risikofaktor. Im ersten Halbjahr 2024 zeigten sich die Märkte nervös und potenziell anfällig für unvorhergesehene Entwicklungen, die durch politische Unsicherheiten oder wirtschaftliche Schocks ausgelöst werden könnten. Angesichts des derzeitigen Umfelds fragiler Marktliquidität und wachsender Besorgnis über Immobilienbewertungen bleibt die Möglichkeit weiterer Marktvolatilität und Korrekturen hoch.

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