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ESG im Rahmen von bankgeschäftlichen Prüfungen

Von Dr. Oliver Everling | 5.Januar 2025

Unser neues Buch im Verlag Springer Nature: ESG als Treiber von M&A – Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse erfolgreich managen.

Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) ist in der modernen Bankenaufsicht von entscheidender Bedeutung. Thomas Dietz erläutert in seinem Werk, dass Nachhaltigkeitsfaktoren sowohl für die Unternehmensbewertung als auch für die mikroprudenzielle Bankenaufsicht eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Anforderungen der Bankenaufsicht an Kreditinstitute hinsichtlich des Managements von Nachhaltigkeitsrisiken auch den Wert von realwirtschaftlichen Unternehmen beeinflussen. Dietz argumentiert, dass diese These einer näheren Betrachtung nicht standhält: „Die Bankenaufsicht drängt die Kreditinstitute weder dazu, in ihren Portfolien ‚grüner‘ zu werden, noch steht sie einer politisch gewollten Transformation der Wirtschaft entgegen.“ Vielmehr geben die Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Institute (MaRisk) ein klares und explizites Signal an die Banken, sich dem Management von ESG-Risiken angemessen zu widmen.

Bankgeschäftliche Prüfungen dienen der Beurteilung der Einhaltung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und der Angemessenheit des Risikomanagements einer Bank. Dabei werden auch ESG-Risiken berücksichtigt. Laut Dietz haben die BaFin und die Deutsche Bundesbank Anforderungen festgelegt, die explizit Nachhaltigkeitsaspekte adressieren. So wurden beispielsweise in der siebten MaRisk-Novelle ESG-Risiken als Teil des Risikoinventurprozesses eingeführt. „Die neuen MaRisk ergänzen die bisherigen Ausführungen zur Risikoinventur dahingehend, dass für die regelmäßige wie anlassbezogene Beurteilung der Wesentlichkeit der Risiken durch die Geschäftsleitung […] Auswirkungen von ESG-Risiken angemessen und explizit einzubeziehen sind.“ Dies bedeutet, dass Banken nun verpflichtet sind, die möglichen Auswirkungen von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken explizit zu bewerten und in ihre Risikomanagementprozesse zu integrieren.

Ein wesentlicher Aspekt der ESG-Risiken ist deren Einfluss auf die Geschäftsstrategie der Banken. Hierbei müssen die Banken entscheiden, ob sie eine reine Outside-in-Perspektive (OIP) oder zusätzlich eine Inside-out-Perspektive (IOP) einnehmen wollen. Die OIP bezieht sich auf die Identifikation und Steuerung von Risiken, die durch äußere Faktoren auf die Bank einwirken, während die IOP darauf abzielt, den eigenen Beitrag zu ESG-Risiken zu minimieren. „Die deutsche Bankenaufsicht sieht es bislang nicht als ihre Aufgabe, ein Institut durch Aufsichtshandeln strategisch in eine der beiden Richtungen zu drängen“, so Dietz. Dennoch müssen Banken, unabhängig von ihrer strategischen Ausrichtung, im Rahmen der Geschäftsumfeldanalyse ESG-Faktoren berücksichtigen.

Die Risikoinventur muss sowohl kurz- als auch langfristige Zeithorizonte umfassen, da ESG-Risiken sowohl kurzfristig als auch langfristig schlagend werden können. Dies erfordert eine Erweiterung der bisherigen Methoden zur Risikomessung, da traditionelle Modelle wie Value-at-Risk-Ansätze für die Quantifizierung von Klimarisiken nicht ausreichen. Stattdessen sind Sensitivitäts- und szenariobasierte Ansätze erforderlich, um die potenziellen Auswirkungen von ESG-Risiken angemessen zu bewerten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle von ESG-Ratings. Diese Ratings bieten eine Möglichkeit, ESG-Risiken zu quantifizieren und in das Risikomanagement zu integrieren. Allerdings weist Dietz darauf hin, dass die Verfügbarkeit aussagekräftiger ESG-Daten derzeit noch eingeschränkt ist und unterschiedliche Ratinganbieter zu teils drastisch unterschiedlichen Einschätzungen kommen können. Daher müssen Banken die Methodik der ESG-Ratings verstehen und die Ergebnisse plausibilisieren können.

Schließlich betont Dietz die Bedeutung von ESG-Kriterien im Kreditvergabe- und -überwachungsprozess. Banken müssen ESG-Faktoren in ihre Entscheidungsprozesse integrieren und entsprechende Daten von ihren Kreditnehmern einfordern. „Sowohl die Entscheidungskriterien bei der Kreditvergabe als auch der Informationserhebungs- und -verarbeitungsprozess bei der Kreditüberwachung spielen eine zentrale Rolle für die Messung und die Steuerung von ESG-Risiken“, so Dietz. Dies kann durch qualitative Fragebögen zur Einschätzung des ESG-Risikoprofils des Kunden und die Entwicklung eines individuellen ESG-Scores erfolgen.

Zusammenfassend zeigt die Arbeit von Thomas Dietz, dass die Berücksichtigung von ESG-Risiken in der Bankenaufsicht und im Risikomanagement der Banken unverzichtbar ist. Durch die Integration von ESG-Kriterien können Banken nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr Ansehen verbessern. Die Herausforderungen liegen in der umfassenden und korrekten Erfassung und Bewertung der ESG-Risiken sowie in der Anpassung der bestehenden Risikomanagementprozesse an die neuen Anforderungen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Banken, Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen, um eine nachhaltige und stabile Finanzwirtschaft zu gewährleisten.

Dr. Thomas Dietz leitet seit 2015 bei der Deutschen Bundesbank das Referat Bankgeschäftliche Prüfungen in deren Hauptverwaltung in Berlin und Brandenburg. Er ist zudem Honorarprofessor für mikroprudenzielle Bankenaufsicht an der Hochschule für Finanzwirtschaft und Management in Bonn. Dr. Dietz referiert regelmäßig auf Praxiskonferenzen und ist Autor verschiedener Publikationen zu Liquiditätsrisiken, internationalen Finanzkrisen, zur Bankenaufsicht im Mehrebenensystem der Europäischen Union sowie hauptsächlich zum Thema Sustainable Finance. Er zeichnet mitverantwortlich für die bundesbankinterne Ausbildung der Bankenaufseher in diesem Themenbereich und war Prüfungsleiter bei der ersten umfassenden 44er-Prüfung zum Thema ESG bei einem deutschen LSI.

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