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ESG und Kapitalkosten im M&A-Prozess

Von Dr. Oliver Everling | 30.Dezember 2024

Unser neues Buch im Verlag Springer Nature: ESG als Treiber von M&A – Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse erfolgreich managen.

Die Integration von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) und ihre Auswirkungen auf die Kapitalkosten sind zentrale Themen in der aktuellen Unternehmensbewertung und -finanzierung. Ulf Füllgraf und Benjamin Badel untersuchen in ihrem Beitrag die Einflüsse von ESG-Faktoren auf die Kapitalkosten und den Unternehmenswert im Kontext von M&A-Transaktionen. Sie stellen fest, dass seit der Verabschiedung der UN-Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens ökologische und soziale Faktoren zunehmend in Investitionsentscheidungen einbezogen werden. Während einige Experten argumentieren, dass ESG vorrangig über die Cashflows wirkt, sehen andere die Kapitalkosten als primären Einflusskanal.

Empirische Studien liefern bisher gemischte Ergebnisse bezüglich des Einflusses von ESG auf Kapitalkosten und Unternehmenswert, wobei die Ergebnisse in Europa tendenziell signifikante ESG-Einflüsse bei den Cost of Equity – insbesondere für die „E“-Komponente – zeigen. Die CO2-Intensität hat bereits seit einigen Jahren Einfluss auf die Performance und das Risiko europäischer Aktien. Die Umsetzung der Vereinbarungen des Pariser Abkommens und die daraus resultierenden politischen Initiativen in der EU, wie u.a. der Green Deal und die EU-Taxonomie, beeinflussen Unternehmen in vielen Bereichen, wie z.B. Produkte und Prozesse, Lieferanten- und Kundenbeziehungen sowie erweiterte Berichtspflichten. Füllgraf und Badel betonen, dass sich daraus einerseits die empirischen Ergebnisse erklären lassen und sich andererseits die Notwendigkeit ergibt, ESG-Faktoren in die finanzielle Bewertung – auch bei M&A-Prozessen – zu integrieren.

Ein zentraler Punkt der Regulierung ist die doppelte Wesentlichkeit (Double Materiality), die sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Aspekte berücksichtigt. Dieses Konzept erfordert von Unternehmen, sowohl die finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf ihre Geschäftstätigkeiten als auch ihre Auswirkungen des Unternehmens auf die Gesellschaft und Umwelt zu berichten. Nachhaltigkeitsaspekte müssen aber in die finanziellen Faktoren einfließen, um Investitionsentscheidungen, Unternehmenswerte und Risikomanagement zu beeinflussen.

Füllgraf und Badel gehen auf verschiedene Modelle und Methoden zur Bestimmung der Kapitalkosten ein, u.a. das Capital Asset Pricing Models (CAPM), Arbitrage Pricing Theorie (APT) und die daraus entstandenen Faktormodelle (z.B. Fama/French). Die beiden letztgenannten sind aus der Kritik am CAPM und dessen schwacher Performance in der Realität entstanden.
Dennoch verwenden viele Unternehmen hauptsächlich das CAPM für die Berechnung von Kapitalkosten.

Die Kapitalmarkttheorie unterscheidet zwischen systematischen und spezifischen Risiken. Während systematische Risiken nicht diversifizierbar sind und alle Unternehmen im Querschnitt betreffen, können spezifische Risiken diversifiziert werden. ESG-Risiken werden bisher i.W. als spezifische Risiken eingeordnet, weil empirisch bisher nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie global betrachtet Einfluss auf nahezu alle Unternehmen haben. In dem Sinne müssen die o.g. Modelle möglicherweise um eine Nachhaltigkeits- oder Klimakomponente erweitert werden, sofern in Zukunft systematische Effekte in der Breite – und nicht nur in Europa – nachweisbar sind.

Füllgraf und Badel zeigen auf, dass die Einbeziehung von ESG-Kriterien in den M&A-Prozess nicht nur zur Risikominimierung beiträgt, sondern auch erhebliche Wertsteigerungspotenziale eröffnet. Investoren sind – nicht nur für börsennotierte Unternehmen – zunehmend bereit, höhere Preise für Zielinvestments zu zahlen, die starke ESG-Performances aufweisen. Dies verändert und erweitert die Anforderungen an Due Diligence-Prozesse und die Bewertung von Zielunternehmen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Integration von ESG-Kriterien in den M&A-Prozess und die damit verbundene Analyse von Auswirkungen auf Kapitalkosten und Cash-Flows mitentscheidende Faktoren für den langfristigen Erfolg und die Nachhaltigkeit von Unternehmensübernahmen sind. Unternehmen und Investoren sollten diese Faktoren berücksichtigen, um fundierte und zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen.

Ulf Füllgraf, seit 2010 in der Geschäftsführung der Alpha Centauri Investment Management GmbH, Hamburg, tätig und in der Funktion u.a. für die Bereiche Research, Portfolio- und Risikomanagement verantwortlich. Frühere Stationen waren u.a. Head Portfoliomanagement bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Luzern, Gründer und Leiter des Multi Asset-Bereiches sowie Head of Tactical Asset Allocation bei der Deka Investment in Frankfurt. Alpha Centauri ist auf alternative Risikoprämien- und Faktorstrategien sowie Aktienstrategien mit Klimahintergrund spezialisiert.

Benjamin Badel, seit 2010 bei Alpha Centauri Investment Management GmbH, Hamburg und seit 2019 dort in der Geschäftsführung, u.a. für Research, Portfoliokonstruktion und IT verantwortlich. Schwerpunkte der Arbeit liegen auf den Bereichen Strategie- und Indexentwicklung, Risikomonitoring und Datenmanagement.

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