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ESG und Testamentsvollstreckung
Von Dr. Oliver Everling | 9.Februar 2025
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Burkhard Bamberger behandelt in seinem Artikel „ESG und Testamentsvollstreckung“ die Integration von Environmental, Social, and Governance (ESG)-Kriterien in die Testamentsvollstreckung. ESG bezieht sich auf nachhaltige Unternehmenspraktiken, die über finanzielle Aspekte hinausgehen und Umwelt, Soziales sowie Unternehmensführung betreffen. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass gemäß den Vorgaben des Erblassers zu verwalten, was auch die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards umfassen kann. Bamberger betont die Wichtigkeit klarer testamentarischer Anweisungen bezüglich einer effektiven ESG-Integration, um langfristige Werte zu schaffen und Risiken zu managen. Die Testamentsvollstreckung ist ein zentrales Instrument zur Sicherstellung des letzten Willens eines Erblassers, besonders bei komplexen wirtschaftlichen Verhältnissen oder unternehmerischen Beteiligungen im Nachlassvermögen. „Der Testamentsvollstrecker bringt die notwendige Sachkunde und persönliche Integrität mit und fungiert als neutrale Person, um Streitigkeiten unter den Beteiligten zu vermeiden,“ schreibt Bamberger.
Gemäß den gesetzlichen Regelungen hat der Testamentsvollstrecker umfassende Befugnisse, darunter die Inbesitznahme des Nachlasses, das Einziehen von Forderungen, den Ausgleich von Verbindlichkeiten und die Verwaltung des Nachlasses. Er agiert primär nach dem Willen des Erblassers und ist weitgehend frei von Eingriffen der Erben oder des Nachlassgerichts. Dies ist besonders relevant für die Unternehmensnachfolge und minderjährige Erben, um eine rechtssichere und geordnete Nachfolge zu gewährleisten. Ein wichtiger Aspekt der Testamentsvollstreckung ist die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses und die jährliche Rechenschaftslegung gegenüber den Erben. Der Testamentsvollstrecker haftet den Erben gegenüber für Schäden, die durch eine nicht ordnungsgemäße Ausführung seines Amtes entstehen.
Bamberger erläutert, dass die Testamentsvollstreckung auch im Unternehmensbereich von großer Bedeutung ist. Bei der Anordnung der Testamentsvollstreckung über Geschäftsanteile ist die Rechtsform des Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Bei Einzelunternehmen bringt die Testamentsvollstreckung komplexe rechtliche Herausforderungen mit sich, insbesondere hinsichtlich der Haftung und der Verwaltung des Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker. Bei Personenhandelsgesellschaften erfordert die Testamentsvollstreckung die Zustimmung der Mitgesellschafter und spielt eine entscheidende Rolle bei der erbrechtlichen Nachfolgeklausel. Im Gegensatz dazu sind Kapitalgesellschaften weniger von persönlichen Vertrauensbindungen geprägt, was die Anordnung einer Testamentsvollstreckung erleichtert.
Der Unternehmensverkauf im Rahmen der Testamentsvollstreckung kann eine geeignete Lösung sein, um die Vermögensposition der Erben zu schützen und Liquidität bereitzustellen. Bamberger hebt hervor, dass der Testamentsvollstrecker eine zentrale Rolle im Verkaufsprozess spielt und sicherstellt, dass die Verkaufsbereitschaft der Erben und Gesellschafter besteht. „Durch seine umfassenden Verwaltungsrechte kann der Testamentsvollstrecker den vom Erblasser verfügten Verkauf rechtssicher umsetzen,“ erklärt Bamberger.
Wenn der Nachlass neben unternehmerischen Beteiligungen auch weitere Vermögensgegenstände umfasst, übernimmt der Testamentsvollstrecker im Rahmen einer Dauertestamentsvollstreckung die Vermögensverwaltung. Als Vermögensverwalter ist er verantwortlich für die Verwaltung des Nachlasses entsprechend den Vorgaben des Erblassers und den allgemeinen finanzwirtschaftlichen Grundlagen einer rendite- und risikoorientierten Anlagepolitik. Diese Aufgabe erfordert eine sorgfältige Diversifikation des Vermögens und eine disziplinierte Anlagestrategie. Die grundsätzliche Legitimation des Testamentsvollstreckers besteht in der auftragsgemäßen Umsetzung des Erblasserwillens. Hat der Erblasser die Anwendung von ESG-Kriterien verfügt, so kann eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Verwaltung des Nachlasses sichergestellt werden.
Die Verfolgung von ESG-Zielen kann jedoch Konfliktpotential erzeugen, insbesondere wenn diese Ziele zu Lasten traditioneller Risiko- und Renditeziele gehen. „Unterschiede in den Prioritäten und Wertesystemen von Erblasser und Erben hinsichtlich der Wichtigkeit und Interpretation von ESG-Themen können zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten führen,“ warnt Bamberger. Der Testamentsvollstrecker muss daher versuchen, die unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen in Einklang zu bringen, während er gleichzeitig dem Erblasserwillen treu bleibt.
Die Anforderungen an einen Testamentsvollstrecker sind vielfältig und umfassen wirtschaftlichen und rechtlichen Sachverstand, Personalkompetenz, Erfahrung in der Ausübung der Gesellschafterfunktion, Vertrauensposition, Unabhängigkeit und zeitliche Verfügbarkeit. Bamberger betont, dass der Testamentsvollstrecker auch die Fähigkeit haben muss, ESG-Kriterien in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen und entsprechende Berichte zu erstellen. „Die Umsetzung von ESG-Prinzipien erfordert eine umfassende Strategie, die alle Bereiche eines Unternehmens betrifft,“ erklärt er.
Abschließend betont Bamberger, dass eine un- oder lückenhaft geregelte Nachlasssituation bei unternehmerischen Beteiligungen Vermögensschäden und Liquiditätsprobleme verursachen kann. Dieses Risiko kann durch eine gute Vorbereitung der Nachfolge- und Nachlassplanung sowie die Anordnung der Testamentsvollstreckung reduziert werden. Sowohl bei der Abwicklungs- als auch bei der Dauertestamentsvollstreckung im Unternehmensbereich ist Handlungsfähigkeit gegeben, da der Testamentsvollstrecker die Ausübung der Gesellschaftsrechte sicherstellt. „Die Fortführung und ggf. der Verkauf des Unternehmens stellen hohe Anforderungen an den Testamentsvollstrecker, die in Teilbereichen mit der Vorstands- bzw. Aufsichtsratsrolle bei Aktiengesellschaften vergleichbar sind,“ fasst Bamberger zusammen.
Prof. Dr. rer. pol. Burkhard Bamberger, Diplom-Kaufmann und zertifizierter Testamentsvollstrecker (EBS), verfügt über rund 30 Jahre Erfahrung in Unternehmensberatung und operativer Unternehmensführung. Seit 2016 lehrt er an der ISM International School of Management in Dortmund und Frankfurt und verantwortet als Program Director den Master of Finance Studiengang. Zuvor war er von 2006 bis 2015 Finanzvorstand der Douglas Holding AG und von 1998 bis 2006 Finanzvorstand der Loewe AG. Seine berufliche Laufbahn begann er als Manager bei KPMG in Frankfurt und Chicago. Er ist Mitglied in diversen Aufsichts- und Beiräten, arbeitet als Testamentsvollstrecker und berät in den Bereichen Unternehmensnachfolge, M&A und Unternehmensfinanzierung.
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