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Europa im Bann des Krieges

Von Dr. Oliver Everling | 9.Mai 2022

Die Aussichten für die globale Konjunktur in den kommenden Quartalen sind von einer außergewöhnlich hohen Unsicherheit geprägt, weil mehrere Themenkomplexe zusammenwirken. Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte und zeigt auf, dass für die Themenkomplexe jeweils verschiedene Szenarien denkbar sind.

„Aus europäischer Perspektive ist der Fortgang des Krieges in der Ukraine von entscheidender Bedeutung. Im besten Fall würde eine schnelle Befriedung des Konflikts nicht nur das Leiden der Menschen in der Ukraine mindern,“ macht Axel D. Angermann klar, „sondern auch zu einer Normalisierung der Rohstoffpreise und damit der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt beitragen.“

Wie unverantwortlich es wäre, wenn die zögerliche Politik in Deutschland den Krieg in der Ukraine weiterhin zulässt, macht der Chef-Volkswirt ebenso klar: „Umgekehrt hätte eine weitere Eskalation des Krieges, vor allem ein Embargo gegen russische Rohstoffe oder ein Lieferstopp von russischer Seite, mit Sicherheit eine Rezession in wichtigen Ländern des Währungsraums, darunter Deutschland und Italien, zur Folge, auch wenn die Tiefe des Einbruchs kaum verlässlich abschätzbar ist.“

Die globalen Konjunkturperspektiven sieht Axel D. Angermann maßgeblich von der weiteren Entwicklung der US-Wirtschaft bestimmt: „Während die hohe Inflation in Europa vor allem auf die gestiegenen Rohstoffpreise zurückzuführen ist, ist dies für die Teuerung in den USA nicht der wichtigste Faktor. Vielmehr ist es dort der inzwischen sehr enge Arbeitsmarkt, der zu einem deutlichen Lohnwachstum und damit zu steigendem Inflationsdruck geführt hat. Deshalb rechnen die meisten Beobachter mit einer schnellen und starken geldpolitischen Straffung seitens der Fed, die damit bewusst eine verringerte Wachstumsdynamik der US-Wirtschaft in Kauf nimmt.“

Allerdings bestehe die signifikante Gefahr, dass die Wirtschaft dabei zu stark abgebremst wird und in die Rezession abgleitet. Dies hätte gravierende Folgen auch für den Euroraum. Umgekehrt ist aber auch ein positives Szenario denkbar, in dem die Langfristzinsen in den USA zumindest vorerst nicht weiter steigen, die bereits jetzt verminderte Wachstumsdynamik zu geringeren Lohnzuwächsen führt und die Fed in der Summe möglicherweise weniger Zinsanhebungen vornimmt als derzeit erwartet.

Den dritten Themenkomplex sieht Axel D. Angermann in China, dessen Wirtschaft im zweiten Quartal als Folge der Lockdowns in großen Städten kaum wachsen wird und dessen Wachstumsziel von 5,5 Prozent im laufenden Jahr kaum erreichbar erscheint.

„Eine Fortsetzung der strikten Null-Covid-Politik hätte nicht nur potenziell katastrophale Folgen für China selbst“, warnt der Experte aus der FERI-Gruppe: „Die damit verbundenen Angebotsstörungen würden den globalen Handel weiter belasten und die Inflation antreiben. Unterstellt man der chinesischen Führung ein rationales Vorgehen und die Fähigkeit, einen Ausweg aus der selbst verschuldeten ideologischen Überhöhung der eigenen Null-Covid-Politik zu finden, wäre aber auch eine stärkere Stimulierung der eigenen Wirtschaft und daraus resultierend ein positiver Impuls für die Weltwirtschaft denkbar.“

Nicht alle Kombinationen der hier skizzierten Szenarien seien ökonomisch sinnvoll: „Es verbleiben aber so viele Möglichkeiten mit sehr unterschiedlichen ökonomischen Auswirkungen, dass es vorerst bei einem sehr hohen Maß an Unsicherheit bleiben wird. Dies allein ist keine gute Nachricht für die Weltwirtschaft, weil es Konsum und Investitionen bremst.“

Themen: Aktienrating, Länderrating | Kommentare deaktiviert für Europa im Bann des Krieges

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