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Europäisches Datenschutzrecht und Bonitätssysteme in China
Von Dr. Oliver Everling | 15.Februar 2021
Dr. Barbara Kirchberg-Lennartz geht in ihrem Beitrag zum Buch „Social Credit Rating“ auf datenschutzrechtliche Aspekte von Sozialkreditsystemen ein: „Bonitätssysteme in China sind zum einen auf in China tätige Unternehmen gerichtet und sammeln Informationen über das Geschäftsgebaren, die Einhaltung von gesetzlichen Regelungen insbesondere zu Compliance oder auch zu Umweltschutz. Die daraus abgeleiteten Bewertungen qualifizieren Unternehmen als gute oder schlechte Geschäftspartner oder Wirtschaftsakteure. Damit sind entsprechende Vor- oder Nachteile für die Unternehmen verbunden.“
„Zum anderen gibt es zahlreiche Ansätze,“ schreibt Kirchberg-Lennartz, „das Verhalten von natürlichen Personen auf der Grundlage umfassender Informationssammlung aus allen Lebensbereichen zu bewerten und ihnen entsprechend der Ergebnisse den Zugang zu sozialen Leistungen zu erschweren oder zu erleichtern und im Allgemeinen ihre Stellung in der Gesellschaft durch den generierten „Score“ zu beeinflussen.“
Dr. Barbara Kirchberg-Lennartz publiziert seit 2009 in Form von Vorträgen, Fachpublikationen und Kommentierungen von Datenschutzgesetzen zu rechtlichen und operativen Fragestellungen des Datenschutzes. Sie ist als Datenschutzbeauftragte eines großen deutschen DAX-Konzerns tätig.
Die europäischen Datenschutzgesetze stellen an alle Unternehmen, Behörden und öffentlichen Einrichtungen umfangreiche Anforderungen, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. „Ziel ist es,“ rekapituliert Kirchberg-Lennartz, „den natürlichen Personen ein Selbstbestimmungsrecht über sie betreffende Informationen zu gewähren. Voraussetzung dafür ist eine hohe Transparenz über die Verarbeitung personenbezogener Daten und umfangreiche Rechte der Betroffenen auf Auskunft, Widerspruch und Löschung ihrer Daten.“
Die europäischen Datenschutzgesetze binden in der EU ansässige Unternehmen vor allem auch hinsichtlich der Übermittlung von personenbezogenen Daten in Länder außerhalb der EU, stellt Kirchberg-Lennartz zweifelsfrei fest. „Die Anforderungen des europäischen Datenschutzes gelten deshalb für eine Übermittlung von personenbezogenen Daten an Bewertungssysteme in China in vollem Umfang. Das hat zur Folge, dass ein in der EU ansässiges Unternehmen für ein Bewertungssystem relevante Daten über seine Geschäftstätigkeit in China nur dann zur Verfügung stellen kann, wenn diese Informationen keinerlei Bezug zu natürlichen Personen aufweisen. Ein Rückschluss auf in den Unternehmen agierende Personen muss also völlig ausgeschlossen sein.“
Chinesische Unternehmen, die in der EU Produkte und Dienstleistungen natürlichen Personen anbieten oder deren Tätigkeit auf die Beobachtung natürlicher Personen ausgerichtet ist, sind im Hinblick auf die damit im Zusammenhang stehende Verarbeitung von Kundendaten ebenfalls an die europäischen Gesetze gebunden, warnt Kirchberg-Lennartz und unterstreicht: „Dies schließt die Weitergabe personenbezogener Daten an Bewertungssysteme in China völlig aus.“
Das neue Social Credit System in China wirft also Probleme auf. „Die Lösung dieser Problematik könnte in der Schaffung einer in der EU wirksamen gesetzlichen Grundlage für die Informationsbereitstellung an Bonitätssysteme in China sein. Voraussetzung dafür wäre“, so Kirchberg-Lennartz, „eine Etablierung von Datenschutzregeln in der Struktur der chinesischen Bewertungssysteme, die ein EU-adäquates Datenschutzniveau garantieren.“
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