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Europas Energiemarkt im Wandel: Herausforderungen und Chancen bei Gas und Wasserstoff

Von Dr. Oliver Everling | 7.Mai 2024

Die Gaspreise haben sich seit November 2023 ungefähr halbiert. Im laufenden Jahr sind Energiepreise erneut deutlich gesunken. In der Folge haben sich die Kurse der börsennotierten europäischen Versorger unterdurchschnittlich entwickelt. Der Grund für den Preisrückgang sind merklich gesunkene Kosten für Kohlenstoff und andere Inputfaktoren.

Europa ist in hohem Maße auf Lieferungen von US- Spot-LNG angewiesen. Diese machten 2023 fast 50 % seiner LNG-Importe aus und umfassten ein Volumen von insgesamt 120 Mrd. Kubikmetern. Der zugrunde liegende Mindestpreis ist vom jeweiligen Angebot am Markt abhängig: „Ist der LNG-Markt eng, wird ein höherer Mindestpreis, einschließlich Gebühren für Verflüssigung, Transport und Regasifizierung, aufgerufen“, schreibt Guillaume Chieusse, Portfoliomanager für europäische Aktien bei ODDO BHF, in einem aktuellen Marktkommentar. Im Falle eines Überangebots sei der Mindestpreis entsprechend niedriger und liege auf Höhe der jeweiligen Grenzkosten.

Ein kurzfristig nur begrenzter Ausbau der LNG-Kapazitäten wird in Kombination mit der gestiegenen Nachfrage aus China und Südostasien das LNG- Angebot bis zur zweiten Jahreshälfte 2026 verknappen. „Für die Entwicklung der europäischen Energiepreise wird es daher entscheidend sein, inwieweit die Nachfrage nach dem mittelfristigen massiven Kapazitätsausbau gedeckt werden kann“, analysiert Chieusse. „Durch die Beeinflussung der Grenzkosten der Stromerzeugung könnten die anhaltende Dynamik am Gasmarkt und das zusätzliche Angebot an Kern- und Wasserkraft die Strompreisentwicklung kurzfristig maßgeblich bestimmen“. Zudem spiele der Ausbau der erneuerbaren Energien eine immer wichtigere Rolle im Strommix. Der starke Rückgang der Großhandelspreise für Strom in diesem Jahr könne die Margen der europäischen Versorger über 2024 hinaus belasten, da die während der Energiekrise abgeschlossenen hochpreisigen Absicherungen allmählich auslaufen.

Titel aus dem Wasserstoffsektor sind derzeit unterbewertet. Grund hierfür ist die Unsicherheit über die zukünftige Nachfrage und die tatsächliche Rolle dieses Energieträgers bei der Energiewende. Zudem fehlt es an Klarheit bei Zertifizierung und Regulierung. Zwar dürften die Stromgestehungskosten für Wasserstoff in den kommenden zehn Jahren vor allem aufgrund von Lerneffekten stark sinken. „Zentrale Herausforderungen sind und bleiben jedoch der Wechsel von grauem Wasserstoff zu grünem Wasserstoff sowie die inhärenten Energieverluste bei Elektrolyseprozessen von derzeit ca. 50%“. Ein weiteres Problem sei die überaus niedrige Umsetzungsquote von Projekten, nur in rund 3% der Fälle gab es 2023 eine endgültige Investitionszusage. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) stieg die weltweite Wasserstoffnachfrage 2022 um 3 % auf 95 Mio. Tonnen. Die größten Abnehmer waren die Ammoniak- oder Methanolproduktion (55%) und der Raffineriesektor (44%). Der emissionsarme Anteil daran betrug weniger als 1 % der gesamten Wasserstoffproduktion. Grüner Wasserstoff machte nur ca. 0,1 % aus. Die Nutzung von Wasserstoff im Jahr 2022 verursachte etwa 30 % der gesamten CO2-Emissionen der EU.

Noch herrscht keine Einigkeit darüber, wie Wasserstoff am besten genutzt werden soll. Er könnte zum Beheizen von Haushalten dienen, Erdgas in der Biomethanraffinerie ablösen oder in Batterien für schwere Nutzfahrzeuge Verwendung finden. Insgesamt gibt es jedoch einen strukturellen Trend weg von grauem hin zu grünerem Wasserstoff. Weltweit hat die Politik Maßnahmen zur Förderung dieses Übergangs ergriffen. Besonders bemerkenswert ist der US Inflation Reduction Act. Darin vorgesehen sind Steuergutschriften, die an die Menge der Treibhausgasemissionen gekoppelt sind, die über den Lebenszyklus von Wasserstoff entstehen. Durch diese Maßnahmen hat sich die Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff bereits erhöht. „Sollte ein ähnlicher politischer Ansatz in Europa den aktuellen Kostennachteil bei elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff beheben können, könnte der Einsatz von grauem Wasserstoff in Zukunft stark abnehmen“, fasst Chieusse zusammen.

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