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Experten zur Finanzmarktkrise in der THA
Von Dr. Oliver Everling | 23.März 2009
Am ersten März-Wochenende ging die Theodor-Heuss-Akademie den Ursachen und Folgen der gegenwärtig global zu beobachtenden wirtschaftlichen Rezession nach. Im Rahmen der Tagung „Die Finanzmarktkrise und die Folgen für Konjunktur, mittelständische Wirtschaft und Kapitalmarkt“ fanden sich zahlreiche Experten und Gäste aus ganz Deutschland in Gummersbach ein, berichtet Klaus Füßmann, Leiter des Veranstaltungsprogramms der Theodor-Heuss-Akademie .
Aus Berlin war der liberale Finanzexperte Frank Schäffler MdB angereist. Auch der geschäftsführende Vorstand des Deutschen Derivate Verbandes, Dr. Hartmut Knüppel, kam aus der Bundeshauptstadt. Vom renommierten Walter-Eucken-Institut aus Freiburg konnte Dr. Michael Wohlgemuth als Referent gewonnen werden. Rudolf Schüller von der „ISM International School of Management“ in Dortmund und Tagungsleiter Dr. Thorsten Lange, Dozent für Politikwissenschaft aus Worms, komplettierten das Referenten-Team. Im Folgenden – als Ergebnis der Veranstaltung – 10 Thesen zur Finanzmarktkrise und den Erfordernissen der Politik.
Die Ursachen der Krise sind nicht in neoliberaler Deregulierung der Finanzmärkte und maßloser Gier bestimmter leitender Angestellter in der Finanzbranche zu suchen, sondern in einem doppelten Staatsversagen. In den letzten Jahren hat überhaupt gar keine Deregulierung des Banken- und Finanzsektors stattgefunden, und die weniger regulierten Institutionen wie Hedge-Fonds und Private Equity-Firmen haben mit der aktuellen Krise zum einen nichts zu tun und sind zum anderen von ihr auch noch weniger betroffen als die traditionell stark bis überregulierten.
Als die eigentlichen Ursache für die Blase am US-amerikanischen Immobilienmarkt und den nachfolgenden Zusammenbruch des Interbankenmarktes ist vielmehr eine falsche Ausrichtung der Sozialpolitik unter der Clinton-Administration verantwortlich, die mit Hilfe ihres „Community Investment Act“ aus dem Jahr 1999 die Bonitätserfordernisse für private Immobilienfinanzierungen so weit herabsetzte, dass ein eigentlich nicht kreditwürdiger Personenkreis in den Genuss von Haus- und Grundbesitz kommen konnte.
Als dann noch die Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, im Gefolge des Platzens der „dot.com“-Blase 2000/2001 die Notenbankzinsen dramatisch absenkte, um entsprechend ihres politischen Auftrags eine Rezession in den USA abzuwehren, wurde die Spirale am Immobilienmarkt aus zu niedrigen Zinsen und explosionsartig steigenden Häuserpreisen in Gang gesetzt.
Da die Dimension der Überschuldung, die heute die Realwirtschaft bedroht, erst durch Aufspaltung, Synthetisierung, Verbriefung und internationalen Handel der privaten Hypotheken erreicht werden konnte, stellt sich die Frage nach der Rolle von Kreditderivaten und Bonitätseinstufungen in diesem Prozess. Die in Rede stehenden Kreditderivate machen das Ausfallrisiko eines Kredits isoliert handelbar, und dürfen nicht mit den – Privatanlegern mehr vertrauten -Optionsscheinen und Zertifikaten auf Aktien oder Indizes verwechselt werden. Der Handel mit Kreditderivaten ist aber im Prinzip unerlässlich, damit Kreditgeber sich absichern und auch solche Finanzierungen vornehmen können, die volkswirtschaftlich wünschenswert und sinnvoll sind, ohne die die Möglichkeit einer Aufteilung des Risikos auf verschiedene Schultern aber u. U. nicht zustande kommen kann.
Gerade auch hierdurch erlangen Ratingagenturen eine steigende Bedeutung, weil das Rating an die Stelle der früheren Schwarz-Weiß Betrachtung der Kreditwürdigkeit eines Schuldners tritt und eine breite Palette an Nuancierungen möglich macht. Problematisch ist aber, dass der Ratingmarkt von zwei großen Anbietern dominiert wird, was das Risiko von Interessenkollisionen erhöht. Erst ein Aufbrechen des Duopols von „Standard & Poor’s“ und „Moody’s“ kann jenes Maß an Konkurrenz der Meinungen erzeugen, welches eine Kontrolle des Ratingmarktes durch Pluralität möglich macht. Eine Verstaatlichung der Ratingagenturen würde hingegen alle Meinungen auf eine einzige reduzieren und damit das Risiko von Fehleinschätzungen nicht etwa vermindern, sondern im Gegenteil in unverantwortlicher Weise erhöhen.
In diesem Zusammenhang müssen vor allem mittelständische Unternehmen in Zukunft ihrer Finanzierung eine größere Aufmerksamkeit widmen, da bankinterne Veränderungen im Kreditgewährungsprozess, die u. a. mit der zunehmenden Bedeutung des Ratings einhergehen, einen intensiveren Dialog mit der eigenen Bank genauso erforderlich machen werden wie Überlegungen hinsichtlich alternativer Finanzierungswege.
Die aktuellen Konjunkturprogramme sind problematisch. Der Zuspruch, den diese in Teilen von Politik und Öffentlichkeit erhalten, ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die man über die Jahrzehnte hinweg mit der keynesianischen Makrosteuerung gemacht hat, eigentlich unverständlich. Da der Staat mittels direkter antizyklischer Ausgaben in erster Linie bauen kann, die Bauwirtschaft aber noch immer recht gut ausgelastet ist, drohen Verteuerung und Verschwendung mit dem Ergebnis der bekannten stagflationären Tendenzen. In der Folge werden dann Steuererhöhungen auf Bürger und Unternehmen zukommen. Demgegenüber könnte der Mittelstand von Steuersenkungen profitieren, weil dann die Nachfrage der privaten Haushalte sich über eine ganze Reihe von Branchen verteilen und nicht nur einzelnen zugute kommen.
Angesichts der Ursachen der Krise ist wenig Hilfe von fortdauernden Interventionen des Staates in den Markt zu erwarten. In Deutschland beweist das Versagen der von der Politik maßgeblich mitbestimmten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dass es eine Illusion ist, sein Heil in immer neuen Regulierungen zu suchen. Demgegenüber wäre eine breit angelegte Steuerentlastung über eine strukturelle Vereinfachung und Modernisierung des Steuerrechts richtig. Die Bürger könnten dann selbst entscheiden, wie sie dieses zusätzliche Einkommen einsetzen. Sparen die Bürger das Geld, so stellen sie dem Kapitalmarkt zusätzliche Mittel zur Verfügung und verbilligen bei den Banken die Refinanzierung. Konsumieren sie stattdessen, werden Wachstumsimpulse für den Standtort Deutschland erzeugt – ohne in Protektionismus zu verfallen.
Für eine Reform der Finanzmarktordnung sollte langfristig die Weichen gestellt werden: nach den Prinzipien einer waren- und goldbasierten Währung, der Transparenz des Kapitalverkehrs und der strikten Regelung des Bilanzrechts, der anreizkompatiblen Produkt- und Produzentenhaftung der Banken und Finanzinstitute und im Rahmen klarer Banken- (und Staats-) Insolvenzregeln, die nach Kriterien der Ordnungspolitik (und nicht der Gefälligkeitspolitik) auszurichten sind.
Mit Blick auf die politische Situation im Wahljahr ist die gegenwärtige öffentliche Debatte in Deutschland um Finanz- und Wirtschaftskrise als weitgehend verkürzt und moralisierend einzustufen. Das große Wort in den Medien führen die unkritischen Vertreter eines offensiven Etatismus, die glauben, nun gegen das vermeintliche Scheitern des Neoliberalismus zu Felde ziehen zu können, indem sie die Krise zum Marktversagen stilisieren und ihre zentralen Ursachen ignorieren. Eine solche Uminterpretation der realen Vorgänge wird bei einem Teil der deutschen Öffentlichkeit verfangen, weil diese in hegelianischer Manier dem Staat unbefragt eine höhere Einsichtsfähigkeit und Handlungskompetenz zuschreibt als dem Markt. Ein liberaler Problemlösungsansatz besteht demgegenüber aber darin, im Hayek’schen Sinne notwendige rechtliche Regelungen kontinuierlich weiter zu entwickeln, um den Markt zu stärken, und nicht den Weg in die Staatswirtschaft zu ebnen, der erfahrungsgemäß am Ende die Krise zur Dauereinrichtung macht.
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