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Fed löscht mit Benzin

Von Dr. Oliver Everling | 31.Oktober 2008

Wie erwartet hat die US-Notenbank Fed am Mittwoch die Leitzinsen um 50 Basispunkte auf 1% gesenkt. Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve beschloss die Zinssenkung einstimmig, heißt es. Eine, von nicht wenigen Marktteilnehmern prognostizierte koordinierte Zinssenkung gab es dennoch nicht.

Die Notenbanken kommen aus dem selbst verursachten Teufelskreis nicht mehr heraus, kommentiert dazu der Fuchsbrief (www.fuchsbriefe.de, 62. Jahrgang / 86). „Jetzt versucht die Fed den Brand mit Benzin zu löschen: Der Leitzins ist jetzt da, wo er nach 9/11 (2001) war: bei 1%. Der Realzins: deutlich negativ, denn die Inflationsrate in den USA bewegt sich immer noch bei 4,9% (September). Worauf aber zielt diese Leitzinssenkung, welcher Brand soll da eigentlich gelöscht werden? Ein direkter Impuls für die Realwirtschaft ist nicht zu erwarten.“

Kein Unternehmen wird jetzt wegen des niedrigen Zinses investieren – im Gegenteil, so der Fuschbrief: „Die Wirtschaft ist ja auch nicht – wie in einem normalen Zyklus – aufgrund hoher Zinsen nach kräftigen Inflationssteigerungen in die Knie gegangen. Das Zinsniveau war relativ niedrig und der Einbruch kommt von den Finanzmärkten her. Die Banken rücken im Moment kein Geld mehr raus.“

Die Fed sprach in ihrer Stellungnahme nach der Entscheidung von andauernder Schwäche in weiten Teilen der Wirtschaft, sowohl in binnenwirtschaftlichen Sektoren wie Konsum und Investitionen. Darüber hinaus sieht der Offenmarktausschuss weiterhin Risiken für zusätzliche Wachstumsschwäche in den kommenden Monaten, da insbesondere die strafferen Kreditbedingungen eine Beschränkung darstellten. Aufgrund der sich weiter abschwächenden wirtschaftlichen Aktivität und der rückläufigen Rohstoffpreise geht die Fed allerdings davon aus, dass die Inflation weiter fallen wird und damit Preisstabilität gewährleistet sein dürfte.

Nicht näher eingegangen ist die Notenbank auf die drohende Rezession. Zwar weisen die offiziellen Statistiken bisher noch keine zwei Quartalsrückgänge in Folge beim BIP-Wachstum aus, doch ist bereits seit dem 4. Quartal 2007 eine unterdurchschnittliche Zunahme der Wirtschaftsaktivität zu konstatieren. Die bisher veröffentlichten Daten lassen zudem für das abgelaufene 3. Quartal den stärksten BIP-Rückgang seit dem 3. Quartal 2001 befürchten.

Vor dem Hintergrund einer tendenziell steigenden Sparquote bei einem sich spürbar eintrübenden Arbeitsmarkt und einer anhaltenden Investitionszurückhaltung der Unternehmen ist noch mindestens bis zum 1. Quartal 2009 mit rückläufigen BIP-Quartalsraten zu rechnen. In diesem Umfeld dürfte die US-Notenbank die Leitzinsen nach dem gestrigen Zinsschritt in den kommenden Monaten weiter zurückfahren, sagt Finanzanalyst Karl-Heinz Goedeckemeyer.

Die geldpolitische Lockerung wird sich weltweit weiter fortsetzen. So haben in Japan die Auswirkungen der Finanzmarktkrise die Wirtschaft zuletzt derart verstärkt erfasst, so dass die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um 25 BP auf der Notenbanksitzung am Freitag gestiegen ist.

Bis vor kurzem hat es noch danach ausgesehen, dass die Bank of Japan (BoJ) mit ruhiger Hand durch die Finanzmarktkrise steuert und ihren Leitzins – den Zielsatz für Tagesgeld konstant bei 0,50 % belässt. Doch japanischen Medienberichten zufolge erwägt die BoJ bei ihrer nächsten Zinsentscheidung am 31. Oktober den Leitzins auf 0,25 % zu senken. Es ist dann wohl nur mehr eine Frage der Zeit, bis die BoJ noch eine zweite Zinssenkung nachliefert und damit zur Nullzinspolitik zurückkehrt.

Die von EZB-Chef Trichet in Aussicht gestellte Zinssenkung für die erste Novemberwoche ist angesichts der verschlechterten konjunkturellen Lage auf dem alten Kontinent längst überfällig. Es ist von einer Reduzierung um 50 bp auszugehen, wobei dieser Schritt nicht die letzte Lockerung gewesen sein dürfte.

So hat sich im Oktober die Wirtschaftsstimmung in der Eurozone deutlich stärker eingetrübt als erwartet. Wie die EU-Kommission am Donnerstag mitteilte ist der Economic Sentiment Index (ESI) revidiert von 87,5 Punkten im Vormonat auf 80,4 Punkte gesunken. Volkswirte hatten zuvor mit einem wesentlich moderateren Rückgang auf lediglich 86,0 Punkte gerechnet. Darüber hinaus hat sich auch das Geschäftsklima in der Eurozone im Oktober erneut kräftig eingetrübt. Der Business Climate Indicator (BCI) ist von revidiert minus 0,82 Punkten im Vormonat (zuvor minus 0,79) auf minus 1,34 Punkte gesunken. weiter mit. Dies ist der tiefste Stand der Kennzahl seit fast sieben Jahren.

Infolge dessen forderte der für Währung zuständige Kommissar Joaquín Almunia die Regierungen der 27 EU-Staaten auf, die Folgen eines möglichen Abschwungs „abzufedern“. Er versprach eine „flexible Anwendung“ des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der die Verschuldung der EU-Staaten begrenzt. Wir müssen dem wirtschaftlichen Abschwung mit der gleichen Entschlossenheit begegnen wie der Finanzkrise“, sagte Barroso „Wir müssen dem wirtschaftlichen Abschwung mit der gleichen Entschlossenheit begegnen wie der Finanzkrise“, sagte Barroso. Derzeit prüfe die Kommission, ob die Verwirklichung großer Infrastrukturprojekte, für die bis 2013 bereits 350 Mrd. Euro vorgesehen sind, beschleunigt werden könnten.

Zudem solle die Europäische Investitionsbank (EIB) mehr Kapital bekommen, um besonders den Mittelstand zu fördern. Die EU-Staaten wurden sowohl von Barroso als auch von Almunia ermuntert, auf nationaler Ebene wirtschaftliche Anreize zu geben. „Es muss in einem Abschwung für die Steuer- und Haushaltspolitik die Möglichkeit geben, die Nachfrage aufrecht zu erhalten und Arbeitsplätze zu schützen.

Aber wird die EZB im gleichen Maße wie die US-Notenbank die Zinsen senken? Hierbei lohnt ein Vergleich über die verschiedenen geldpolitischen Ziele der Notenbanken.

Währen die Fed seit August 2007 sich auf die Wachstums- und Finanzmarktstabilisierung fokussiert hat, indem sie die Fed Funds Rate stark gesenkt hat, hat die EZB ihren Leitzins im Juli 2008 sogar erhöht hat. Da der europäische Zyklus der US-Konjunktur mit einer Verzögerung zwischen zwei Quartalen und zwei Jahren folgt, dürfte es kaum überraschen, dass die EZB häufig erst später in Aktion tritt als die Fed, sagt Goedeckemeyer.

In der historischen Betrachtung weist die Geldpolitik der EZB und der Fed in Bezug auf ihre Ziele, Unabhängigkeit, Strategie, Entscheidungsprozesse und Kommunikationsstil mehrere Unterschiede auf. Die unterschiedlichen Ziele der Fed und der EZB kamen besonders seit dem Ausbruch der Subprime-Krise im August 2007 zum Ausdruck, die 2007/08 mit einem weltweiten starken Inflationsanstieg, verursacht durch die hohen Öl- und Nahrungsmittelpreise, einherging.

Die Fed verfolgt eine Politik der konjunkturellen Stimulierung und Finanzmarktstabilisierung, indem sie umfangreiche Zinssenkungen vorgenommen hat. Sie verbindet damit die Hoffnung, dass Inflationsrisiken durch die schwache Konjunktur eingedämmt werden können. Diese Strategie ist seit Monaten mit einem negativen Realzinsniveau verbunden. Die EZB indes hat anders reagiert und ihren Leitzins im Juli 2008 nicht gesenkt, sondern erhöht.

Laut einer Studie der db Research waren die US-Inflationsrate und das US-Wachstum seit der Gründung der EWU im Jahr 1999 im Durchschnitt ca. 1 Prozentpunkt höher als in Euroland. Diese Konstellation wurde natürlich nicht nur durch die Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks verursacht, sondern gleichzeitig das Ergebnis einiger anderer Faktoren wie der größeren Flexibilität der amerikanischen Wirtschaft.

Gleichwohl ist mit Blick auf die unterschiedlichen Ziele der Notenbanken darauf hinzuweisen, dass die US Leitzins -und Geldmarktzinssätze im Zeitraum 1990-2008 weitaus stärker geschwankt sind als in der Eurozone. Die EZB hingegen verfolgt zwar eine weitaus stetigere und berechenbarere Geldpolitik als die Fed. Oftmals jedoch scheinen die Währungshüter die Risiken von Konjunkturabschwüngen nicht richtig oder nur mit Verzögerung einzuschätzen. Anders ist die Zinserhöhung im Juli nicht zu erklären.

Doch laut Goedeckemeyer dürften die Märkte mit Zinssenkungen allein nicht zu stabilisieren sein, denn niedrige Zinssätze würden bedeuten, dass sich die Renditestrukturkurve weiterhin überaus steil verlaufen wird. Mit der Folge, dass japanische Investoren den gestiegenen Anteil ihres mit ausländischen Währungen dominierten Bondportfolio stärker hedgen müssen, was wiederum den Yen weiter in die Höhe treiben wird. Deswegen haben japanische Investoren in der letzten Woche knapp 715 Bio. Yen aus dem Ausland abziehen müssen, sagt Goedeckemeyer. Das reale Risiko für die Weltwirtschaft ist jedoch die Aufwertung niedrig-rentierender Währungen. In diesem Falle dürften auch die Volatilitäten in den Assetklassen weiter zunehmen, sagte der Analyst abschließend.

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