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Finanzmarktstabilisierungsgesetz oder Bankvorstandsjobsicherungsgesetz?
Von Dr. Oliver Everling | 14.Oktober 2008
Das in größter Eile formulierte Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) ist Teil der Löscharbeiten, die die Bundesregierung im Großfeuer der Finanzmärkte leistet. „Es geht dabei nicht um den Schutz der Banken und sonstigen Finanzinstitutionen, sondern um den Schutz der Bürger“, heißt es zum Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stabilisierung der Finanzmärkte und zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Realwirtschaft. „Darüber hinaus gilt die Zusage, dass keine Sparerin und kein Sparer in Deutschland durch die Finanzkrise einen Euro seiner Einlagen verlieren wird. Hierzu wird die Bundesregierung bei Bedarf die volle Leistungsfähigkeit der bestehenden Sicherungssysteme sicherstellen.“
Das Gesetz enthält keine „Brandschutzmaßnahmen“ und auch keine Maßnahmen, die unmittelbar auf den Schutz von Bürgern bzw. ihrer Einlagen und Kredite zielen würden. Vielmehr wird klargestellt, dass die Bundesregierung auf die Wirksamkeit bestehender Sicherungssysteme vertraut und nur deren Leistungsfähigkeit bei Bedarf sicherstellen will. Von zusätzlichen Garantien, die sofort und unmittelbar für Verbraucher wirksam würden, kann nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht gesprochen werden. Dies mag im Gegensatz zu Erwartungen stehen, die durch Medienberichte und durch Politiker in Interviews geweckt wurden.
„Die Unsicherheit der Marktteilnehmer ist groß,“ heißt es im Text der Bundesregierung zum FMStG, „die Vertrauenskrise stellt sich als äußerst hartnäckig dar.“ Die Errichtung eines nichtrechtsfähigen Sondervermögens „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ setzt jedoch nicht an den Ursachen der Vertrauenskrise an, denn durch eine Verlagerung der Risiken weg von den Banken hin auf den Steuerzahler werden nur die Verluste umverteilt, nicht aber Transparenz geschaffen, die Voraussetzung für Vertrauen wäre. Das FMStG unterstützt die Interessen der Unternehmen des Finanzsektors, auf die es sich richtet.
Der Fonds dient der Stabilisierung des Finanzmarktes durch Überwindung von Liquiditätsengpässen und durch Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Eigenkapitalbasis von Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Darüber hinaus werden Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des Investmentgesetzes begünstigt sowie die Betreiber von Wertpapier- und Terminbörsen und deren jeweiligen Mutterunternehmen, soweit diese Finanzholding-Gesellschaften, gemischte Finanzholding-Gesellschaften oder beaufsichtigte Finanzkonglomeratsunternehmen sind und die vorgenannten Unternehmen ihren Sitz im Inland haben.
Ein Rechtsanspruch auf Leistungen des Fonds besteht nicht. Die Verwaltung des Fonds obliegt dem Bundesministerium der Finanzen, das einfach auf Antrag der Bank nach pflichtgemäßem Ermessen über Maßnahmen entscheidet. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für den Fonds Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro zu übernehmen. Der Fonds kann sich an der Rekapitalisierung von Unternehmen des Finanzsektors beteiligen, insbesondere gegen Leistung einer Einlage Anteile oder stille Beteiligungen erwerben und sonstige Bestandteile der Eigenmittel dieser Unternehmen, einschließlich solcher, die durch Landesrecht geschaffen werden, übernehmen.
Das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds – FMS“ beschert den Aktionären tiefgreifende Einschnitte in ihre Aktionärsrechte. Die Erhöhung des Grundkapitals bedarf z. B. nicht mehr der Zustimmung der Hauptversammlung. Die Ausgabe bedarf, falls bereits mehrere Gattungen von Aktien vorhanden sind, auch nicht der Zustimmung der Aktionäre der verschiedenen Gattungen. Das – sonst geldwerte – Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen.
Das neue Gesetz dürfte insbesondere Bankvorstände erfreuen: Der Vorstand entscheidet über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe. Der Vorstand kann insbesondere bestimmen, dass die neuen Aktien mit einem Gewinnvorzug und bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens mit einem Vorrang ausgestattet sind. Er kann insbesondere auch Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgeben, bei denen der Vorzug nicht nachzahlbar ist. „Der Ausschluss des Bezugsrechts zur Zulassung des Fonds zur Übernahme der Aktien ist in jedem Fall zulässig und angemessen“, stellt der Gesetzeswortlaut klar.
Um die Aktionäre unter Druck zu setzen, den Interessen des Vorstands zu folgen, kann der Vorstand zur Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung mit einer Einberufungsfrist eines einzigen Tages eine Hauptversammlung einberufen. Die Einberufungsfrist von einem Tag dürfte Aktionärsvertretern in den meisten Fällen nicht ausreichen, um umfangreiche Vorlagen und Argumentationen des Vorstands zu studieren, abzuwägen und eine besonnene Entscheidung vorzubereiten. Wenn aber ohnehin keine sinnvolle Meinungsbildung stattfinden kann, ist fraglich, ob das Gesellschaftsorgan „Hauptversammlung“ nicht ausgehöhlt wird.
„Unsicherheiten hinsichtlich der Kursverläufe und unzureichende Transparenz haben zu einem ausgeprägten Misstrauen der Marktteilnehmer untereinander geführt. Die Folge sind schwere Störungen vor allem auf dem Interbanken-Geldmarkt“, so heißt es in der Begründung zum Gesetz. Es enthält aber keine Ansatzpunkte, geschweige denn Maßnahmen, um die unzureichende Transparenz kurz-, mittel- oder langfristig beispielsweise durch Aufrüstung der Ratingsysteme zu verändern.
Die von der Bundesregierung geplanten [Ä]nderungen der Bilanzierungs- und Bewertungsregeln zielen nicht auf die Herstellung von mehr Transparenz, sondern darauf, nach geltendem Recht als wertlos oder geringwertig anzusetzende Vermögensgegenständen fiktive Werte zuzuordnen, um die Überschuldung von Banken optisch zu verhindern. Artikel 5 FMStG sieht dazu auch eine [Ä]nderung der Insolvenzordnung vor, so dass nach § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung künftig eine Überschuldung nur dann vorliegt, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen unwahrscheinlich ist.
Diese Gesetzesänderung erlaubt Bankvorständen künftig, tief in die Überschuldung hinein zu wirtschaften. Können Verluste nicht ausgeglichen werden, so wären die Organe dieser Banken nach geltendem Recht verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der rechnerischen Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Die meisten Bankvorstände werden sich im Zweifel auf den neuen Gesetzeswortlaut berufen, dass sie die Fortführung ihres Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich hielten. Da keine Ratingagentur oder sonstige Institution diese Wahrscheinlichkeitseinschätzung kontrollieren muss, entgehen Bankvorstände also auch jeder persönlichen Haftung dafür.
Im Ergebnis stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung – dem Rat der Bankenlobby folgend – mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz nicht primär ein „Bankvorstandsjobsicherungsgesetz“ entworfen hat, denn es dürfte zwar Massenentlassungen im Kreditsektor und die Transmission der Kreditkrise auf die Realwirtschaft nicht verhindern, wohl aber manche Abberufung von Bankvorständen durch ihre Hauptversammlungen vereiteln. Dazu liefert das Gesetz eine Reihe von Instrumenten, von denen Bankvorstände mit ihren Rechtsberatern geschickt Gebrauch machen werden. Insbesondere müssen Bankvorstände nun kaum noch befürchten, aufgrund ihrer Schieflage durch Insolvenzverwalter abgelöst zu werden, da das Maßnahmenpaket jede Bankeninsolvenz in Deutschland weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
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